Der amerikanische Weltreisende

Mark Twain in Wien

Mark Twain gilt als uramerikanischer Autor schlechthin. Zugleich war Samuel Langhorne Clemens, wie Twain mit bürgerlichem Namen hieß, passionierter Weltreisender. Dabei verschlug es den Literaten auch nach Österreich und Wien, wo Twain zwischen 28. September 1897 und 27. Mai 1899 lebte.

Neun Monate seines Wiener Lebens hat Mark Twain im Hotel Krantz verbracht, dem heutigen Hotel Ambassador. Dort wird am Vormittag seines 100. Todestages, am 21. April 2010, eine Gedenktafel im Beisein von Vertretern der US-Botschaft enthüllt.

Deutsche Sprache schwere Sprache

Der Grund für den Twainschen Aufenthalt in der Kaiserstadt war der Wunsch seiner Tochter Clara, beim Wiener Klavierlehrer Theodor Leschetizky Unterricht zu nehmen. Zum Star des Gesellschaftslebens avancierte jedoch der berühmte Vater. Bereits am 1. Oktober 1897, wenige Tage nach seiner Ankunft, empfing der Autor die ersten Journalisten im damaligen Hotel Metropol am Morzinplatz.

Der publizierten Meinung seiner Interviewer, er spreche gut Deutsch, schloss Twain sich allerdings nicht an. In seinem berühmten Essay "The Awful German Language" (Die furchtbare deutsche Sprache), veröffentlicht im Reisewerk "A Tramp Abroad", schreibt der Autor:

Ein begabter Mensch kann Englisch in 30 Stunden, Französisch in 30 Tagen und Deutsch in 30 Jahren lernen.

Reges Society-Leben

Ungeachtet allen Kokettierens mit seiner vermeintlich unzureichenden Sprachkompetenz stürzte sich Twain ins Gesellschaftsleben, und die Wiener Society empfing den berühmten Gast mit offenen Armen. Der damals 25-jährige Karl Kraus kommentierte diesen Umstand im April 1899 in der "Fackel" gewohnt zynisch:

Mark Twain ist nach Wien geeilt und hat sich mutig und entschlossen in die Reihen derer gestellt, die ein Dasein 'unter anderen' führen.

Zugleich kam der Amerikaner auch in Wien seinem Interesse für Politik nach und besuchte bereits am 15. Oktober 1897 eine Sitzung des Gemeinderates und hatte später auch eine Privataudienz bei Kaiser Franz Joseph.

Sommersitz in Kaltenleutgeben

Viele der Wiener Werke Twains - darunter der Essay "Stirring Times in Austria" - sind im Sammelband "The Man That Corrupted Hadleyburg" veröffentlicht. Auch wichtige Teile seiner Autobiografie schrieb Twain in seinem Sommersitz im niederösterreichischen Kaltenleutgeben.

Nach Wien reiste er zu dieser Zeit nur selten. Das Begräbnis von Kaiserin Elisabeth am 17. September 1898 wollte sich der Amerikaner jedoch nicht entgehen lassen. Am 27. Mai 1899 verließ Mark Twain Wien und nahm - begleitet vom Winken einer Menschenmenge - einen Zug am Franz-Josefs-Bahnhof.

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ORF.at - Mark Twain