Recherchen von Peter Maass

Öl, das blutige Geschäft

Peter Maass hat viele Kriege gesehen. Die meisten, so der Journalist des "New York Times Magazine", werden um Öl geführt. In Ländern mit Ölvorkommen geht es der Bevölkerung sogar besonders schlecht - sieht man von Norwegen einmal ab. Warum das so ist, erläutert er in seinem Buch.

Für die USA ist das Ölleck im Golf von Mexiko eine Katastrophe, die in die Geschichtsbücher eingehen wird. Sie stellt die durch das Leck des Tankers "Exxon Valdez" 1989 vor der Südküste Alaskas verursachte Ölpest weit in den Schatten. Doch international betrachtet sei dieses Umweltdesaster nicht ungewöhnlich, meint Peter Maass:

"Das Ölleck vor Louisiana ist für die Amerikaner eine Mahnung. In den USA passiert so etwas zwar nur etwa alle 20, 30 Jahre, doch in anderen Ländern ist so etwas an der Tagesordnung. Ich war in Nigeria und habe mir das Niger-Delta angesehen. Dort liegt über allem ein Ölfilm. Wenn man im Kanu sitzt, kann man mit einem Streichholz das Wasser rund um sich anzünden."

Der Ressourcenfluch

Peter Maass, Korrespondent für das angesehene "New York Times Magazine", hat für sein jüngstes Buch "Öl. Das blutige Geschäft" mehrere Jahre in den ölproduzierenden Ländern der Erde recherchiert - von Saudiarabien bis Nigeria, von Russland bis Ecuador.

Ein zentrales Anliegen in seinem Buch ist die Darstellung des so genannten Ressourcenfluchs. Der Begriff bezeichnet das Paradoxon, dass rohstoffreiche Länder oft weniger Wirtschaftswachstum und politischen Fortschritt verzeichnen als rohstoffarme.

"Eines ist ganz klar", so Maass, "wenn ein Land, eine Regierung, ein Regime in den Genuss von Ölvorkommen kommt, und wenn es sich um ein autoritäres System handelt, dann entstehen riesige Probleme. Es gibt massive Korruption, weil es keine transparenten Institutionen gibt. Es werden sehr schlechte Entscheidungen darüber getroffen, was man mit den Öleinnahmen anfangen soll, weil es keinen demokratischen Prozess gibt. Es gibt keine Gremien, die entscheiden, welche Projekte realisiert werden sollen und welche nicht. Es kommt zu Streit, wie die Öleinnahmen aufgeteilt werden sollen. Und das kann, wie in Nigeria, zu bewaffneten Konflikten in der ölproduzierenden Region führen."

Am Beispiel Äquatorialguinea

Ein Paradebeispiel für den Ressourcenfluch ist Äquatorialguinea, einer der kleinsten Staaten Afrikas mit nur etwa einer halben Million Einwohnern. In den 1990er Jahren wurde dort Öl entdeckt.

"Äquatorialguinea ist eine Diktatur", erzählt Maass. "Die ersten 700 Millionen Dollar an Öleinnahmen versteckte der Präsident des Landes, Teodoro Obiang, auf Geheimkonten in Washington DC. Diese wurden allerdings entdeckt, und er musste das Geld auf etwas transparentere Konten transferieren. Trotz der Ölmillionen hat sich im Land kaum etwas zum Besseren gewendet. Die Indikatoren für Gesundheit und Bildung sind fast unverändert. Es gibt ein paar neue Straßen und Gebäude. Doch für die Bürger von Äquatorialguinea hat sich das Leben nicht so einschneidend verändert, wie man annehmen würde."

Zu den kleinen Geschenken, die sich der Präsident leistete, zählte unter anderem eine Boeing 737 mit goldenen Badezimmerarmaturen.

Sehr viel Zeit für Recherchen in Äquatorialguinea war Peter Maass nicht vergönnt. Der Regierung war der US-Journalist zu neugierig. Nach einer Woche wurde er von höchster Stelle ausgewiesen. In seinem Buch beschrieb er den Rauschmiss so:

Der Minister gab mir 15 Minuten zum Packen. Dann fuhr mich der Berater zum Flughafen, wo ich auf die nächste Maschine wartete. Zu einer letzten Schikane kam es, als der Minister auf dem Flughafen auftauchte und mir vorwarf, ich sei ein Spion. Er durchsuchte mein Gepäck, konfiszierte etliche Disketten und drohte, mich zu einem richtigen Verhör mit in die Stadt zu nehmen. Er ließ mich erst in Ruhe, als ich sagte, Präsident Obiang werde nie wieder Washington besuchen, falls sein Regime einen amerikanischen Journalisten inhaftiere. Ich wusste nicht, ob das stimmte, doch der Minister reagierte so, als hätte ich eine Zauberformel ausgesprochen.

Umweltverseuchung in Ecuador

Eine andere Form des Ressourcenfluchs ist die Verseuchung der Umwelt. In Ecuador bohrte ursprünglich das US-Ölunternehmen Texaco nach Öl. Die Umwelt war der Firma gleichgültig: In der Region Oriente - ehemals dichter Urwald - brannte Texaco Erdgas ab, ließ mit Öl vermischtes Wasser in die Böden versickern oder leitete es in den Amazonas. Schadenersatzprozesse gegen Texaco, das sich in den 1990er Jahren aus Ecuador zurückzog, schleppen sich seit Jahren dahin.

"Noch betrüblicher ist nun aber, dass der staatliche Ölkonzern - Petroecuador - die Sache nicht besser macht", sagt Maass. "Und das ist wirklich ein großes Problem in armen Ländern. Auch in solchen mit linken Regierungen wie Venezuela und nun auch Ecuador. Der Staat ist auf die Öleinnahmen erpicht, um damit soziale Programme zu finanzieren. Den staatlichen Ölfirmen bleibt daher nicht sehr viel Geld für ihre eigenen Zwecke übrig. Eine saubere, umweltverträgliche Ölproduktion ist aber sehr teuer. Die Firmen sparen also bei der Sicherheit. In Ecuador gibt es dauernd irgendwo Öllecks, und ölverseuchtes Wasser wird in den Amazonas gepumpt. Ich habe das mit eigenen Augen gesehen. Der Ölgestank war so unerträglich, dass ich mir etwas vor Nase und Mund halten musste. Und das war nicht in unmittelbarer Nähe von Bohrungen, sondern in Gegenden, wo vor zwei, drei Jahren Öl ausgeronnen ist."

Korrupte Ölunternehmen

Peter Maass beschreibt das internationale Ölgeschäft als deshalb so korrupt, weil es dabei immer um außerordentlich hohe Summen geht. Wenn zwischen einem Unternehmen und sicheren Millionengewinnen nur die Unterschrift eines Regierungsbeamten in einem Drittweltstaat steht, dann wird Schmiergeld zur ganz normalen Geschäftsgebarung.

Die Lösung liege in mehr Transparenz, erklärt der Autor. Und erzählt von zwei Initiativen: "Es gibt eine internationale Organisation, die Extractive Industries Transparency Initiative, der westliche ölimportierende Staaten sowie Ölproduzenten und einige NGOs angehören. Die Organisation versucht, Ölfirmen und Regierungen dazu zu bewegen, ihre Verträge offen zu legen. Man bemüht sich also, mit sanfter Überredung mehr Transparenz zu erreichen. Das ist eine gute Sache, aber der Prozess geht sehr langsam vor sich. Es gibt eine andere, ausschließlich von NGOs getragene internationale Organisation namens 'Publish What You Pay'. Sie will die verbindliche Veröffentlichung aller finanziellen Verträge zwischen Staat und Firmen erreichen. Das soll weltweit gesetzlich verankert werden."

"Wir können etwas dagegen tun"

Peter Maass ist ein Anhänger der sogenannten Peak-Oil-Hypothese. Demnach sei das Ölfördermaximum bereits überschritten. Das bedeutet: Fördermengen werden sich nicht unbegrenzt und beliebig erhöhen lassen. Bedeutet das nicht, dass Öl als Mangelware zu noch mehr Korruption und Konflikten führen werde?

"Es ist nicht unvermeidlich, dass Öl Anlass für noch mehr Konflikte wird", meint Maass. "Dagegen können wir etwas tun. Wir können bestimmen, wie viel Öl wir brauchen, wie sparsam wir mit Energie umgehen und wie viel wir in neue Energieformen investieren. Wir sind keine passiven Opfer. Wir können unsere Zukunft bestimmten. Sie liegt nicht in den Händen der Geologie oder des Himmels."

Service

Peter Maass, "Öl. Das blutige Geschäft", aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Harald Stadler, Droemer Knaur

Droemer Knaur - Öl. Das blutige Geschäft