Feinde im Kartell vereint
Schlag gegen "Gemüse-Mafia"
Der italienischen Polizei ist ein Schlag gegen die Gemüse-Mafia in Süditalien gelungen. Die Mafia kontrolliert den Handel von Obst und Gemüse und hält die Preise hoch. Bei einer großangelegten Razzia wurden jetzt Dutzende Personen verhaftet. Dabei hat sich herausgestellt, dass selbst verfeindete Mafia-Familien im Gemüsegeschäft kooperieren.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal 14.05.2010
Mafia macht die Preise
Wenn sich Italien zu Tisch begibt, ist stets ein unsichtbarer, ungebetener Gast dabei: die Mafia. Vor allem nascht sie mit, wenn Obst und Gemüse serviert werden. In Zentral- und Süditalien bestimmt nur die Mafia, wie viel Paradeiser oder Orangen kosten dürfen - und sonst niemand. Und der Preis ist viel zu hoch, weiß auch Antonio Girone von der Anti-Mafia-Einheit in Neapel: "Ohne Zweifel, es ist uns in einigen Fällen gelungen nachzuweisen, wie sich der Preis von Obst und Gemüse um mehr als 200 Prozent erhöht hat vom Anbau bis zum Verkauf."
Illegales Kartell
Die ungeheuren Gewinnspannen werden einfach festgesetzt - unter Ehrenmännern versteht sich. Man kann das Ganze auch illegale Kartellbildung nennen. Auf den Großmärkten sind die kriminellen Unterhändler längst unter sich. Sie haben es auch gar nicht nötig, ihre Pistolen gegen die Gartenkralle einzutauschen, sie machen sich nur im sprichwörtlichen Sinn die Hände schmutzig. Obst- und Gemüsebauern müssen den Mafia-Preis für ihre Ware zähneknirschend akzeptieren, wenn sie nicht auf ihrer Ware sitzenbleiben wollen, sagt Staatsanwalt Cesare Sirignano: "Die Mafia kontrolliert den Transport, bestimmt den Preis der Produkte und beherrscht damit diesen Teil der Wirtschaft über den Preis."
Schmier- und Schutzgeld
Lebensmittelkontrolleure werden bestochen, wenn die Qualität oder die Herkunft der Ware nicht den Vorschriften entspricht. Zertifikate für biologischen Landbau? Alles zu haben - mit etwas Nachdruck und ein bisschen Schmiergeld. Und den Transport übernehmen nur Speditionen, die bereit sind, mit der Mafia zusammen zu arbeiten - Schutzgeld inklusive.
70 Festnahmen
Eines dieser kriminellen Netzwerke hat die Polizei jetzt zerschlagen. 70 Verdächtige sind festgenommen worden, darunter auch ein prominenter Name: Paolo Schiavone, eine Neffe des berüchtigten Mafia-Bosses Francesco Schiavone, genannt Sandokan. Für den Gemüse-Gangster Schiavone endeten damit die Flitterwochen hinter Gitter.
Geschäft überwindet Feindschaften
In Polizeikreisen staunt man aber über eine Hochzeit der besonderen Art im Hause Schiavone. Mafia-Familien, die bisher als verfeindet gegolten haben, dürften sich den Obst- und Gemüsemarkt freundschaftlich aufgeteilt haben, bestätigt auch der oberste Mafia-Ermittler Piero Grasso. "Unsere Ermittlungen haben Absprachen zwischen Mafia-Familien ans Tageslicht gebracht, die wir bisher als alleinstehend betrachtet haben. Wir müssen also mit einer Art mafiosen Föderalismus rechnen." Auch Innenminister Roberto Maroni warnt vor dieser neuen Zusammenarbeit: "Es gibt eine operative Zusammenarbeit zwischen der Camorra und der Cosa Nostra beim Transport von Obst."
Granaten unter Karotten
Aber auch die Gemüse-Mafia scheint ihre angestammte Profession nicht zu vergessen. Bei der jüngsten Groß-Razzia entdeckte die Polizei unter Karotten und Zucchini noch andere - gefährlichere Früchte: Handgranaten und Minen. Dazu noch automatische Waffen und Raketenwerfer. Bestimmungsort: Balkan. Diese Ware könnte - finanziell gesehen - sogar noch mehr Früchte tragen als der Gemüsehandel.