Zum 200-Jahr-Jubiläum Argentiniens

Wiedereröffnung des Teatro Colón

Schmuckstück zum argentinischen Staatsgeburtstag: Das weltberühmte Opernhaus Teatro Colón in Buenos Aires wird nach einer grundlegenden Restaurierung gerade noch rechtzeitig am Vorabend des 200. Jahrestages des Beginns der Unabhängigkeit des südamerikanischen Landes wiedereröffnet.

Kultur aktuell, 22.05.2010

Um das Flaggschiff der überaus reichen Kulturszene der Millionenmetropole wieder auf den Hochglanz der Belle Epoque zu bringen, haben die Verantwortlichen es an nichts fehlen lassen. Weder an Geld noch an Querelen noch an Verzögerungen: Umgerechnet etwa 80 Millionen Euro, mehrere Architekten und eine viermal so lange Bauzeit wie vorgesehen. Aber das alles ist vergessen, wenn der Prachtbau am Pfingstmontag, dem 25. Mai 2010, mit einer Licht- und Musikshow wieder für die Öffentlichkeit zugänglich wird.

Neuer kultureller Glanz

Die Wiederöffnung des Colón ist der Höhepunkt der 200-Jahrfeiern Argentiniens, der europäischsten Nation ganz Lateinamerikas. Das 1908 fertiggestellte Haus zeugt von dem sagenhaften Reichtum des Landes zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der sich auf Rindfleisch- und Getreideexporte sowie Können und Fleiß seiner aus Italien und vielen anderen europäischen Nationen eingewanderten Bürger gründete. Der etwa 1950 einsetzende mal schleichende, mal rasende Niedergang des Landes stürzte nicht nur Millionen Menschen in die Armut, er setzte auch dem Opernhaus arg zu.

Der neue kulturelle Glanz ist deshalb zugleich Ausdruck der Hoffnungen des sich ständig vor dem Untergang wähnenden argentinischen Bürgertums, nach Jahrzehnten der politischen und wirtschaftlichen Achterbahnfahrt wieder in einem normalen und wohlhabenden Land anzukommen. Die Kultur, vor allem die europäisch geprägte, ist dabei ein wichtiges Bindemittel der Einwanderer-Gesellschaft. Im Herbst präsentiert Argentinien zudem als Gastland der Frankfurter Buchmesse seine reichhaltige Literatur auf internationaler Bühne.

Tiefgreifende Organisationsreform

Durch die lange Schließung hat der Ruf des Hauses gelitten. "Die Mystik ist verloren gegangen", bedauerte Generaldirektor Pedro Pablo García Caffi im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Einer der Gründe für die lange Verzögerung waren zeitraubende Diskussionen über Art und Umfang der Renovierung, aber auch schlicht unbezahlte Rechnungen und eine fast völlig fehlende vorausschauende Planung. Nicht nur die Bausubstanz und das prachtvolle Interieur mussten aufpoliert werden, auch die Organisation benötigte eine tiefgreifende Reform. Jahrelang sei das Colón von "den Gewerkschaften und von der Politik als Abladeplatz für Mitarbeiter" missbraucht worden.

Die Gewerkschaften hätten Zeitarbeitskräfte in Festanstellungen hineingeklagt und die Politik habe immer noch einen weiteren Posten für "verdiente" Gefolgsleute geschaffen. "Hier gibt es die Sekretärin der Sekretärin und den Verwaltungsbeauftragen des Verwaltungsbeauftragten", stöhnt García Caffi. "Und wenn man ein Klavier bewegen will, dann sind dafür laut irgendeiner unsinnigen Vorschrift immer mindestens sechs Mitarbeiter gleichzeitig notwendig."

Politisches Hickhack überschattet sogar die Wiedereröffnung selbst. Die peronistische Präsidentin Cristina Kirchner sagte ihre Teilnahme kurzfristig ab, weil sie dem konservativen oppositionellen Bürgermeister Mauricio Macri nicht über den Weg laufen wollte.

Das Who is who der Musikwelt zu Gast

Das Teatro Colón wurde von den Architekten Francisco Tamburini, Víctor Meano und Jules Dormal entworfen und zwischen 1889 und 1908 erbaut. Es hat eine überbaute Fläche von 37.884 Quadratmetern auf sieben Stockwerken und verfügt über 2.500 Sitz- und 1.000 Stehplätze. Der Stil vereint Elemente der italienischen Renaissance mit Elementen aus der griechischen Klassik.

Die Liste der Künstler, die in dem auch städtebaulich imposanten Bau aufgetreten sind, liest sich wie das Who is who der Ballett- und Musikwelt der vergangenen 100 Jahre: Igor Strawinsky, Richard Strauss, Arthur Honegger, Enrico Caruso, Arturo Toscanini, Arthur Rubinstein, Wilhelm Furtwängler, Mstislav Rostropovich, Rudolf Nurejew...

Berühmte Namen im Programm

Bei der Restaurierung arbeiteten zeitweise mehr als 1.300 Handwerker und Künstler gleichzeitig in dem Riesenbau, trugen Farbschichten ab, befreiten Fresken von Patina, legten Blattgold neu auf, polierten italienischen Marmor, polsterten und schliffen Parkettböden ab. "Oberste Priorität hatte dabei immer, nichts zu tun, was die Akustik verändern könnte", sagte der Koordinator der Arbeiten, Mateo Goretti. Ob dieses Ziel erreicht wurde, davon können sich Opernfreunde jetzt einen Eindruck verschaffen.

Das aktuelle Programm ist mit berühmten Namen gespickt: der chinesisch-amerikanische Cellist Yo-Yo Ma, Daniel Barenboim, der aus Argentinien stammende Generalmusikdirektor der Staatsoper unter den Linden in Berlin, die Münchner Philharmoniker unter Leitung des indischen Dirigenten Zubin Mehta und der ungarische Pianist Andras Schiff sind nur einige der internationalen Künstler, die im Teatro Colón erwartet werden. Insgesamt 183 Vorführungen sind bis zum Jahresende geplant.

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Teatro Colon