Weg frei für Lösung des Grenzstreits

Slowenien: Mehrheit für Abkommen

Nach 20 Jahren haben die Slowenen gestern den Weg freigemacht für die Lösung des Grenzstreits mit Kroatien. Beim Referendum über die Lösung des Grenzstreits stimmte eine knappe Mehrheit von 51,5 Prozent für das mit Kroatien vereinbarte internationale Schiedsgerichtsverfahren.

Morgenjournal, 07.06.2010

Streit um Adria-Zugang

42 Prozent der 1,7 Millionen Stimmberechtigten nahmen am Referendum teil. Sein Ausgang bedeutet, dass Kroatien die EU-Beitrittsverhandlungen nun ohne Belastung durch den Grenzstreit fortsetzen kann. Das Abkommen legt die Festlegung der slowenisch-kroatischen Grenze in die Hände eines fünfköpfigen internationalen Schiedsgerichts. Der Streit der beiden früheren jugoslawischen Teilrepubliken gipfelte im Vorjahr in einer Blockade der kroatischen EU-Beitrittsverhandlungen durch Slowenien. Die kroatische Ministerpräsidentin Jadranka Kosor stimmte daraufhin einem Abkommenstext zu, in dem die slowenische Forderung nach einem eigenen Zugang zu internationalen Gewässern ausdrücklich verankert wird.

Politische Teilung bestätigt

Es war eine äußerst knappe Mehrheit, mit der die Slowenen die Lösung des Grenzstreits mit Kroatien durch ein internationales Schiedsgericht billigte. In absoluten Zahlen betrug der Unterschied zwischen Befürwortern und Gegnern nur 21.000 Stimmen. Konzentriert sind die Gegner vor allem in drei Wahlkreisen im Norden Sloweniens, vor allem im Grenzgebiet zu Kroatien an der Mur; hier haben viele Bauern Felder auch auf kroatischer Seite, weil die Katastergrenzen nicht mit der Staatsgrenze übereinstimmen. In den übrigen fünf Wahlkreisen stimmte die Mehrheit für die Schiedsgerichtslösung. Der Ausgang der Abstimmung bestätigt somit wieder die politische Teilung in Slowenien.

"Schwarzer Tag für Slowenien"

Dieser Spaltung entsprechend fielen die Reaktionen aus. Die nationalkonservative Opposition sprach von einem schwarzen Tag für Slowenien. Grund zur Freude habe nur Kroatien, betonte etwa der konservative Oppositionsführer Janez Jansa, der wiederum einen historischen Vergleich bemühte: "Es ging um eine historische Entscheidung wie bei der Kärntner Volksabstimmung. Viele Menschen waren sich an diesem schönen Sonntag dieses historischen Augenblicks nicht bewusst. Doch sie werden sich dessen bewusst werden, wenn der Schiedsspruch kommt und kroatische Wachen auf ein Mal in der Bucht von Piran und in jenen Teilen der Küstengewässer stehen werden, die heute unstrittig slowenisch sind."

Pahor gestärkt

Fraglich ist, ob dieses Szenario eintritt. Sicher ist, dass das Ergebnis den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Borut Pahor stärkt, und zwar nicht nur gegenüber der Opposition, sondern auch in der Koalition. Pahor sprach von einem Sieg Sloweniens, das in die Zukunft blicke. Sein Außenminister, Samuel Zbogar, kommentierte das Referendum so: "Das sind ein wichtiger Tag und ein wichtiges Ereignis, auf die wir 20 Jahre gewartet haben, dass wir endgültig die Grenzfrage mit Kroatien lösen, und es dem Schiedsgericht überlassen, die endgültige Lösung zu treffen. Trotzdem steht uns noch eine große Verantwortung bevor. Wir müssen die gesamte Argumentation und alle Beweisdokumente vorbereiten, damit die Lösung unseren Erwartungen entspricht."

Nach dem Referendum

Analyse von Christian Wehrschütz im Gespräch mit Christl Reiss, Ö1 Mittagsjournal

EU-Verhandlungen nicht mehr belastet

Das Schiedsgericht wird erst tätig werden, wenn Kroatien den Beitrittsvertrag zur EU unterzeichnet hat. Das wird wohl frühestens in einem Jahr der Fall sein. Wichtig ist, dass der Grenzstreit aber nun die Verhandlungen mit Brüssel nicht belastet, die ohnehin schwierig genug sind.

Dauert Blockade an?

Wichtig waren auch die verhaltenen Reaktionen aus Kroatien. So sprach Präsident Ivo Josipovic von einem Sieg für Slowenien, für Kroatien und Europa. Dieser Sieg ist aber noch nicht vollständig. Denn für die Ratifizierung des kroatischen EU-Beitrittsvertrages ist im slowenischen Parlament eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich, und die wird ohne konservative Opposition nicht zu erreichen sein.