Staatsreform gilt als akzeptiert
Belgien vor schwieriger Regierungsbildung
Nach den gestrigen Wahlen in Belgien werden langwierige Regierungsverhandlugnen erwaret. Aber sowohl flämische Nationalisten, als auch Sozialisten im Süden scheinen sich klar zu sein, dass sie Kompromisse eingehen werden müssen. Eine Staatsrefom mit einer Stärkung der Regionen wird erwartet.Vor dem Herbst wird keine neue Regierung erwartet.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 14.06.2010
Flämischer Nationalist feiert Triumph
Es war ein selbstbewusster Parteichef, der den Triumph seiner Neuen Flämischen Allianz NVA gestern Abend feierte. Der 39-jährige Bart de Wever, ein studierter Historiker, wie immer ohne Krawatte, spricht vom Hauch der Geschichte. Nichts ist unmöglich, wenn wir nur wollen. "Die größte Partei Flanderns sind wir geworden."
De Wever realistisch: Kompromisse nötig
Der Sieger gibt sich betont realistisch in dieser Nacht: 70 Prozent in Flandern haben nicht für uns gestimmt, erinnert er seine Fans. Wir werden Allianzen bilden müssen und Kompromisse eingehen.
Sozialisten auch sehr erfolgreich
Tatsächlich haben die Sozialisten im französischsprachigen Süden, die von einer Teilung Belgiens nichts wissen wollen, gleich viele Mandate errungen wie die flämischen Separatisten. Gemeinsam mit den Sozialisten Flanderns, die aber eine eigene Partei sind, wären sie sogar die erste Kraft des Landes. Elio di Rupo, der sozialistische Parteichef in Wallonien, den seine Anhänger lautstark feiern, ist möglicher nächster Regierungschef Belgiens. Er spricht von einem spektakulären Erfolg der Sozialistischen Partei nach 20 schwierigen Jahren.
Belgien nur mit Koalition regierbar
Von ausgestreckten Händen der siegreichen Parteien im Norden und im Südens war viel die Rede in den nächtlichen Fernsehdebatten. Allen ist bewusst, dass nur eine Koalition quer über die Volksgruppen die jetzt von allen gewünschten Reformen auf die Wege bringen kann.
Rechtsextreme haben verloren
Dass der rechtsextreme Vlaams Belang, mit dem keine Partei verhandeln will, deutlich verloren hat, sei doch ein gutes Zeichen, betont Wahlsieger Bart de Wever immer wieder.
Staatsreform allgemein akzeptiert
Das Prinzip einer Staatsreform, die zusätzliche Kompetenzen für die Regionen bringen soll, wird inzwischen allgemein akzeptiert. Aber zum Beispiel die Sozialversicherung und die Steuern müssen auch in Zukunft belgisch bleiben, verlangen die Sozialisten. Es werden schwierige Verhandlungen.
Vor Herbst keine Regierung
Unmittelbar am Zug ist jetzt König Albert II, der einen Politiker in den nächsten Tagen mit ersten Sonderungsgesprächen beauftragen wird. Nach belgischer Tradition ist das nicht der mögliche zukünftige Regierungschef, sondern eine Persönlichkeit mit Distanz zur Tagespolitik, die sich in der komplizierten Parteienlandschaft gut auskennt. Koalitionsverhandlungen sind erst der zweite oder dritte Schritt. Mit einer Regierungsbildung vor dem Herbst rechnet niemand.
Abendjournal, 14.06.2010
Belgien auf schwieriger Regierungssuche, ORF-Brüssel-Korrespondent