Stichwahl in zwei Wochen

Polen: Komorowski vor Kaczynski

Die Präsidentenwahl in Polen hat der bisherige Übergangspräsident Bronislaw Komorowski gewonnen. Er liegt klar vor dem Zwillingsbruder des verstorbenen Präsidenten, Jaroslaw Kaczynski. Allerdings hat Komorowski keine absolute Mehrheit, daher fällt die endgültige Entscheidung in einer Stichwahl´in zwei Wochen.

Morgenjournal, 21.06.2010

41 zu 37 Prozent

Nach Auszählung fast aller Stimmen lag der liberal-konservative Regierungskandidat Komorowski am Montagmorgen mit 41 Prozent in Führung. Auf Jaroslaw Kaczynski, den Zwillingsbruder des im April bei einem Flugzeugabsturz getöteten Präsidenten Lech Kaczynski, entfielen nach Angaben der Staatlichen Wahlkommission 37 Prozent.

Drei Hauptgewinner

Um das Amt des polnischen Staatspräsidenten hatten sich insgesamt zehn Kandidaten beworben. Deutlichen Wählerzuspruch fand laut Teilergebnissen neben Komorowski und Kaczynski nur Grzegorz Napieralski vom Bündnis der Demokratischen Linken (SLD). Er kam auf 14 Prozent. Die Wahlbeteiligung betrug rund 54 Prozent.

Erleichterung und Appelle

Am Wahlabend gab es Jubel und Begeisterungsrufe bei den Anhängern von Bronislaw Komorowski. Ihm selbst ist die Erleichterung ins Gesicht geschrieben – er hat es doch geschafft. Der Kandidat der liberalen Bürgerplattform hatte zwar in allen Umfragen vor der Wahl geführt, sein Kontrahent Jaroslaw Kaczynski war ihm aber in den letzten Tagen gefährlich nahegekommen. "Ich bedanke mich bei allen Polen, die mich unterstützt haben in den letzten Wochen", so Komorowski am Wahlabend. Er bedanke sich für alles, bitte nun aber um mehr.

"Kräfte sammeln"

Den ersten Wahldurchgang hat Komorowski zwar für sich entscheiden können – doch nun geht es in die harte zweite Runde. Die Stichwahlen finden in zwei Wochen statt. "Im Leben und in der Politik ist es oft wie im Sport – das Nachspiel ist das Schwierigste. Wir müssen unsere Kräfte für den 4. Juli sammeln, damit wir uns im Kampf um eine bessere Zukunft für Polen mobilisieren." -
"Wir werden gewinnen", schreien die begeisterten Anhänger.

"Harter Kampf steht bevor"

In der Wahlzentrale der Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski sind eher getrübte Gesichter zu sehen. "Es ist nicht wegen des Ergebnisses", so Kaczynskis Wahlkampfleiter Ponciliusz. "Natürlich hätten wir gerne gesiegt heute, aber der Grund, warum wir jetzt so zurückhaltend sind – vor uns sind entscheidende Tage, in denen wir hart kämpfen müssen." - "Der Schlüssel für den Sieg in der zweiten Runde – das ist unser Glaube daran, dass wir siegen können und müssen", so dann Kaczynski selbst.

Linke als dritte Kraft

Den großen Achtungserfolg fuhr die Linke mit ihrem Kandidaten Grzegorz Napieralski ein. Die Linke, lange Zeit zerstritten und politisch marginalisiert in Polen, habe sich als dritte politische Kraft im Land etablieren können, so Napieralski am Wahlabend. "Wir haben gut gearbeitet, wir haben gezeigt, dass wir konsequent sein können. Wir haben gezeigt, dass wir eine Alternative sein können. Es lohnt sich, in die Linke zu investieren."

Wahlkampf geht weiter

Es lohnt sich vor allem die Linke heftig zu umwerben – so jedenfalls das Motto für die zweite Phase des Wahlkampfs. Der liberal-konservative Komorowski hatte schon vor dem Urnengang am Sonntag der politischen Linken die Hand zur Zusammenarbeit ausgestreckt, ein Umstand, der von vielen hier in Polen als politischer Durchbruch gewertet wurde. Doch dass sich nun auch der erzkonservative Jaroslaw Kaczynski um die linken Wähler bemüht, wird doch mit einigem Erstaunen wahrgenommen. Waren doch die Linken bisher für Kaczynski immer ein Rotes Tuch. Doch Kaczynski dürfte auch hier auf sein neues Motto – nämlich Wandlungsfähigkeit - setzen. Seine Partei stehe ja auch für soziale Solidarität, das spreche doch auch die Linken an, erklärt Kaczynski noch am Wahlabend. Die zweite heiße Phase des Wahlkampfs hat jedenfalls schon begonnen.

"Es wird ein harter Wahlkampf"

Der Journalist, Politologe und Schriftsteller Adam Krzeminski (65) über den Mythos Kaczynski im Mittagsjournal-Gespräch mit

Buchtipp

Adam Krzeminski, "Polen im 20. Jahrhundert. Ein historischer Essay", C.H. Beck Verlag (Dezember 1997), ISBN-10: 3406340687, ISBN-13: 978-3406340680