Seit 20 Jahren spioniert

FBI hebt russischen Agentenring aus

Seit dem Ende des Kalten Krieges war Spionage zwischen Russland und den USA kaum mehr ein Thema. Doch offenbar bestehen weiterhin ausgedehnte Netzwerke, die die andere Seite ausspionieren. In den USA wurden Montagabend zehn Bürger angeklagt, die sich zum Teil seit 20 Jahren Zutritt zu politischen und technischen Insider-Informationen besorgt haben sollen.

Morgenjournal, 29.06.2010

Gut getarnt

Die amerikanische Bundespolizei FBI hat einige der russischen Informanten bereits über Jahre hinweg beobachtet. Über das Wochenende klickten dann die Handschellen in einigen Mittelklassevororten und Stadtwohnungen. Die Beschuldigten waren laut Gerichtsbericht gut getarnt als ganze normale amerikanische Bürger mit Jobs und zum Teil Familie, keiner arbeitete bei einer russischen Botschaft oder Institution.

Hochtechnologie und Banales

Ihre Hauptaufgabe war es offenbar, sich das Vertrauen von wichtigen Personen wie Abgeordneten, Regierungsbeamten oder auch Wirtschaftsleuten zu erwerben, um so Hintergründe und Gerüchte über die US-Politik zu erfahren. Es ging zum Teil um hochgeheime Themen wie Nukleartechnologie. Aber viele der Fragen, die die russischen Vorgesetzten stellten, waren eher banal, z.B. wie die Mitarbeiter des Präsidenten über die Iran-Politik denken oder welche Argumente Obamas Team für das nächste Gipfeltreffen vorbereitet, um auf Präsident Medwedew einzuwirken.

Spionage in klassischem Sinn

Die Technik, die die Informanten verwendeten, lässt allerdings noch an gute alte Spionagefilme denken: geheime Botschaften auf öffentlichen Plakaten, unsichtbare Tinte, verschlüsselte Funk-Botschaften. Statt des "toten Briefkastens" kam allerdings Computer-Übertragung zum Einsatz: Zum Beispiel saß jemand mit dem Laptop in einer Starbucks Filiale und die geheime Botschaft wurde von einem Computer in einem vorbei fahrenden Auto empfangen.

Kein großer Schaden

Die Beweise, so sagt das Justizministerium, seien überwältigend. Allerdings sind die Verhafteten nicht der schweren Spionage angeklagt worden, offenbar haben sie keinen großen Schaden angerichtet. Zehn der Verhafteten wurden wegen Spionage angeklagt, acht von ihnen außerdem wegen Geldwäsche. Ihnen drohen bis zu 20 Jahre Haft.

Mittagsjournal, 29.06.2010

Russland schweigt

Die russische Seite will die Angelegenheit bis jetzt nicht kommentieren. Ein Sprecher von Ministerpräsident Wladimir Putin meinte nur, man werde die Angelegenheit prüfen. Außenminister Sergej Lavrov sagt bei einer Presskonferenz beim Staatsbesuch in Israel kurz angebunden. Niemand habe bis jetzt erklärt worum es überhaupt gehe und er hoffe auf eine baldige Klarstellung.

Angelegenheit "zweifelhaft"

Für den russischen Außenpolitikexperten Fjodor Lukjanov ist die Angelegenheit äußerst zweifelhaft, sagt er im Interview mit dem Radiosender Moskauer Echo. "Laut dem, was wir aus den Medien wissen, erinnert die Sache eher an die Fantasie eines Autors von Kriminalromanen, als an eine Strafrechtliche Angelegenheit. Aber vielleicht kommt noch Neues ans Licht. Aber selbst wenn das nicht alles erfunden ist, wie soll man reagieren? Niemand wird die Angelegenheit kommentieren, besonders weil es sich bei den Verhafteten nicht um Militärs oder Diplomaten handelt. Die Angeklagten zu unterstützen käme einem Schuldeingeständnis gleich."

Spionage in Deutschland?

Auf das Verhältnis zwischen den USA und Russland werde sich die Affäre nicht auswirken, meint Lukjanov, die gemeinsamen Projekte - etwa in Afghanistan - seien für die USA dafür einfach zu wichtig. Der deutsche Innenminister de Maizere hatte Russland vergangene Woche vorgeworfen, in Deutschland Wirtschaftsspionage im großen Stil zu betreiben. Ein Sprecher des russischen Außenministeriums hat diese Kritik erst gestern als völlig unbegründet zurückgewiesen.