Gedanken hinter den Songtexten

Die Beatles und die Philosophie

"Klüger werden mit der besten Band aller Zeiten" lautet der plakative Untertitel dieses Buches. Wer die Beatles jetzt vielleicht nicht unbedingt als beste Band aller Zeiten sieht, sei damit versöhnt, dass es in der englischen Originalfassung anders heißt, nämlich: "Nothing You Can Think That Can't Be Thunk".

Diese Anlehnung an eine Textzeile aus "All you need is love" macht deutlich, dass sich im Grunde jedes Thema dazu eignet philosophisch betrachtet zu werden. Warum also nicht auch die Beatles?

Das dachten sich jedenfalls die 15 Autorinnen und Autoren – fast alle beruflich im philosophischen Forschungsbereich tätig - und steuerten jeweils einen Beitrag dazu bei. Mit den Beatles als Ausgangspunkt werden einem zahlreiche philosophische Ansätze nähergebracht: etwa die Erkenntnistheorie, die Postmoderne, aber auch feministische Ethik. Oder andersrum: Über diese verschiedenen Philosophien besteht die Möglichkeit, neue Erkenntnisse über die vier Musiker aus Liverpool zu gewinnen.

Als freigeistige intellektuelle Pioniere waren die Beatles eine besondere Spezies von Sammlern. Es gibt Leute, die Karten mit den Bildern von Sportgrößen oder Münzen sammeln (...). Die Beatles sammelten unterschiedliche Erfahrungen, um ihren Horizont zu erweitern (...).

Die "Fab Four" beim Maharishi

Die Beatles betrachteten sich selbst natürlich nicht als Philosophen und es wäre wohl übertrieben, sie als solche zu bezeichnen. Tatsache ist jedoch, dass sie sich mehr oder weniger intensiv mit verschiedenen Ansätzen aus diesem Bereich beschäftigt und die daraus resultierenden Erkenntnisse in ihrer Musik verarbeitet haben. Ein Beispiel dafür wird in einer Anekdote geschildert, die sich auf die Zeit bezieht, als die "Fab Four" Schüler von Maharishi Mahesh Yogi waren, dem Begründer der Transzendentalen Meditation.

Auf George Harrisons Anregung begaben sich die Beatles nach Indien, um beim Maharishi zu lernen. John Lennon war schnell enttäuscht und verdächtigte ihn, lediglich ein Betrüger zu sein. Hinterher schrieb er über ihn "Sexie Sadie" und bemerkte dazu: "Ich machte einen Rückzieher, wollte lieber doch nicht 'Maharishi, was hast du getan, du hast alle an der Nase herumgeführt' schreiben.

Obwohl John Lennon sich enttäuscht zeigte, dürfte ihn die Zeit in Indien trotzdem sehr inspiriert haben – zahlreiche Kompositionen sollen damals entstanden sein. Gemeinsam mit George Harrison verbrachte er sieben Wochen dort. Ringo Starr und Paul McCartney hingegen reisten vorzeitig ab. Dieses Beispiel führt einer der Autoren des Buches an, um die Beatles als "Skeptiker" zu bezeichnen. Sie waren neuen Ideen gegenüber sehr aufgeschlossen, hinterfragten diese aber und waren dabei auch untereinander nicht immer einer Meinung.

With A Little Help

Einig waren sie sich aber offenbar in der Auffassung, dass ein Individuum nur in einem Netz sozialer Unterstützung und freundschaftlichen Zusammenhalts überleben kann. Anteilnahme und Fürsorge sind Eigenschaften, die als typisch weiblich angenommen und in der feministischen Ethik hinterfragt werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt werden die Beatles in einem der Kapitel näher beleuchtet.

Im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen Bands betonten die Beatles verstärkt den Wert der Fürsorge in ihren Liedtexten – etwa bei "With A Little Help From My Friends". Außerdem beschränkten sie sich dabei nicht nur auf ihre eigenen Perspektiven, sondern versuchten, sich in andere hinein zu versetzen, wie in "She's Leaving Home", wo sie den Schmerz veranschaulichen, den Eltern empfinden, die von ihrer Tochter verlassen wurden.

Keine Marxisten

In einem anderen Kapitel werden ihre Songs unter dem Gesichtspunkt der Schriften von Karl Marx analysiert. Zahlreiche Kompositionen belegen ihre Kritik am Kapitalismus – etwa "I'm Only Sleeping", "Taxman" oder "Piggies". Doch bekennende Marxisten waren sie nicht.

Wie unschlüssig Lennon war, wenn es um die Frage gewaltsamen Widerstands ging, wird an den verschiedenen Einspielungen von "Revolution" deutlich. In der Single-Version schließt Lennon Gewalt als Mittel zur Beseitigung von sozialer Ungerechtigkeit explizit aus (...); in "Revolution #1" dagegen wird der Zwiespalt deutlich, indem er zögernd noch ein "in" hinterher schiebt, als wollte er zugeben, dass Gewalt möglicherwiese doch, wie Marx es gefordert hatte, zur Beförderung des sozialen Fortschritts unumgänglich ist.

Musik und Denken

"Die Beatles und die Philosophie" ist ein Streifzug durch zwei Welten, die der vier Musiker und die des Denkens. Im Grunde werden beide miteinander verglichen, Parallelen und Unterschiede herausgearbeitet. Doch ob sie jetzt Marx näher standen, Nietzsche oder Verkündern fernöstlicher Philosophie, bleibt dahin gestellt und ist eigentlich auch nicht wichtig.

Sozusagen als "Zuckerl" werden John Lennons lyrische Sprachspiele analysiert, Indizien zu Paul McCartneys angeblichem Tod aufgelistet und sogar George Harrison, dem sogenannten "stillen Beatle", ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

Hinter dem Text Verborgenes

Dieses Buch ist eine unterhaltsame Anregung, sich ein wenig mit Philosophie zu befassen, über Beatles-Anekdoten zu schmunzeln und möglicherweise so manches ihrer Lieder in einem neuen Licht zu sehen.

Viele Songs und Plattencovers der Beatles enthalten Rätsel und Andeutungen, die uns dazu anhalten, genau hinzuhören und nach einem verborgenen Sinn zu suchen. Wenn wir Indizien und Anhaltspunkte zusammentragen und nach einem hinter dem Text verborgenen Subtext fahnden, werden wir zu Experten (...). Doch was wäre, wenn es gar keinen zu entschlüsselnden Sinn gäbe? Wir dürfen nicht vergessen, dass "der Joker über dich lacht". (Anm.: "I Am The Walrus")

Service

Michael Baur & Steve Baur (Hrsg.), "Die Beatles und die Philosophie. Klüger werden mit der besten Band aller Zeiten", aus dem Englischen übersetzt von Susanne Held und Christoph Trunk, Tropen Verlag