Politthriller von Giancarlo De Cataldo

Romanzo Criminale

Das - nach europäischen Verkaufserfolgen gemessene - Krimi-Genre der letzten Jahre hat sich - abgesehen von skandinavischen Bestsellern und italo-amerikanischen Schmonzetten - durchwegs von zwei Themen genährt: Serienkiller und Real Crime.

Thema Nummer eins: Serienkiller und Schlitzer, "Der Schlitzer" heißt übrigens auch ein unlängst bei Rowohlt erschienenes - na, ja wie nennen wir es? - Exemplar dieser inzwischen schon reichlich öden Gattung.

Thema Nummer zwei: "Real Crime", also tatsächlich geschehene Verbrechen und ihre - wie auch immer geartete - literarisch-dokumentarische Aufarbeitung. Mit "real crime" haben wir es jetzt zu tun. Und der Stoff, aus dem die kriminelle Realität hier gewoben ist, der hat es in sich.

Banda della Magliana

Von den späten 1970ern bis zum Ende der 1980er Jahre hat in einer italienischen Metropole - und die heißt jetzt nicht Palermo oder Neapel, nein, die heißt Rom - eine Vorstadtbande ihr Unwesen getrieben, die es mit Drogen, Prostitution, Schutzgeld und Glücksspiel zu einem veritablen Partner der sizilianischen Mafia, der neapolitanischen Camorra, der kalabresischen N'drangheta, dem italienischen Neofaschismus und auch dem Vatikan gebracht hat.

So steht es zumindest in Giancarlo de Cataldos "Romanzo Criminale", einem an die 600 Seiten starken, sogenannten Politthriller über die "Banda della Magliana", wie sie genannt wurde: also die Mafiatruppe aus Magliana, einem römischen Vorort zwischen Fiumicino und dem Zentrum der Kapitale.

Politik und Kriminalität

De Cataldo, der Autor dieses dokumentarischen Romans, ist ein in Italien mehrfach ausgezeichneter Krimischreiber und im Brotberuf übrigens Richter in Rom. Die Geschichte, die er in seinem "Romanzo criminale" erzählt - so heißt das inzwischen verfilmte Buch auch im 2002 erschienenem Original -, ist grausam, trist, gelegentlich mondän und letztlich haarsträubend, was die Einlassungen der italienischen Politik mit Klein- und Großkriminellen in den vergangenen Jahrzehnten anbelangt.

Diese Geschichte reicht von Pferdewetten und Kokainhandel über Mord und Totschlag im Milieu bis zur Entführung Aldo Moros und dem verheerenden Bombenattentat auf den Bahnhof von Bologna im Jahre 1980.

Das Buch selbst ist aber leider schwer zu lesen. Trotz eines Personenregisters auf dem Schutzumschlag verirrt man sich des Öfteren im Dickicht einer Namensvielfalt, die man einem Dostojewski zugutehalten könnte: nur Dostojewski ist der Autor de Cataldo wahrlich keiner, und sowohl die holprigen Dialoge als auch die erzählerischen Überlängen hätte man bei einer Übersetzung ins Deutsche einstreichen müssen.

Konkurrenz von Giovanni Bianconi

Dann wäre man auch auf das Format jener, bis heute leider nicht ins Deutsche übersetzten, aber tatsächlich hervorragenden "real crime"-Dokumentation über die "Banda della magliana" gekommen: Die stammt vom italienischen Journalisten Giovanni Bianconi und hat auch einen weitaus treffenderen Titel: Statt "Romanzo Criminale" heißt die nämlich "Ragazzi di Malavita". Salopp gesagt also keine Kriminalromanze, sondern die Geschichte von Mafiosi.

Service

Giancarlo De Cataldo, "Romanzo Criminale", aus dem Italienischen übersetzt von Karin Fleischanderl, Folio Verlag