Ein Diskussionsthema auch unter Künstlern

Was bringt die WM den Südafrikanern?

Was hat die WM in Südafrika der dortigen Bevölkerung gebracht? Trägt das Ereignis dazu bei, die Armut breiter Bevölkerungsschichten zu mindern? Es gibt schon erste Einschätzungen, und eine intensive Debatte in Südafrika selbst; auch und gerade unter Künstlern und Intellektuellen.

Kultur aktuell, 12.07.2010

Nutzen für den Arbeitsmarkt

Bringt die WM den Südafrikanern so viel, wie allein die neuen Stadien an Steuergeld gekostet haben? Die Prognosen gehen auseinander. Zu den Skeptikern gehört der Fotograf David Goldblatt. Seit den 1950er Jahren stellt er die Folgen der Apartheid künstlerisch dar, seine Arbeiten wurden unter anderem auf der documenta gezeigt. Es mag ja sein, sagt Goldblatt, dass das Fußball-Ereignis ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl von Schwarzen und Weißen bewirkt hat. Auch den ökonomischen Nutzen möchte er nicht leugnen:

"Die gesamte Wirtschaft hat profitiert, die Beschäftigungsrate hat stark zugenommen. Beim Bau der Stadien haben viele Arbeit gefunden, und Touristen haben viel Geld dagelassen. Aber das sind alles nur kurzfristige Effekte, es löst unsere Grundprobleme nicht!" Wie das schlechte Bildungsniveau.

Besser Bildung finanzieren als Stadien

Während der Apartheid wurden schwarze Kinder im sogenannten Bantu-Schulsystem erzogen. Dieses war darauf ausgerichtet, Diener zu erzeugen, erklärt David Goldblatt. Das nötige Wissen für eine moderne technologische Gesellschaft habe man ihnen bewusst vorenthalten.

Tragischerweise sei das Schulsystem im heutigen demokratischen Südafrika kaum besser - vor allem weil es unterfinanziert ist.

"Lehrer sind schlecht ausgebildet, es wurden sogar Lehrerbildungs-Colleges aus Geldmangel geschlossen", sagt Goldblatt. "Die Riesensummen, die wir in Fußballstadien gesteckt haben, hätten in viele dringend notwendige Dinge fließen können: Wohnbau, Stromerzeugung, aber zuallererst Bildung."

Stolz in Südafrika, dass die WM glattging

Anders sieht es Südafrikas bekanntester Künstler, der Zeichner und Animationsfilmer William Kentridge, ebenfalls ein profilierter Apartheidgegner. Der Nutzen für das Land lasse sich nicht in Geld messen. Selbst die Menschen in den armen Gegenden hätten einen Energieschub bekommen.

Düstere Prognosen, die Spiele würden zum Chaos geraten, seien widerlegt worden. Darauf seien die Südafrikaner gemeinsam stolz. Einen katastrophalen Eindruck habe jedoch die FIFA in der Bevölkerung hinterlassen:

"Die Fifa bestimmte, welche Straßen gesperrt wurden, wer wofür werben durfte, wo Flugzeuge landen sollten", so Kentridge. "Die Leute haben das Gefühl, dass Gesetze geändert wurden nach dem Gutdünken der FIFA. Kleine Händler wurden rund um die Stadien nicht zugelassen, obwohl das den großen Sponsoren sicher nicht weh getan hätte."

Viele neue Möglichkeiten, nicht nur für die Reichen

Der junge Künstler Johannes Phokela, der in Johannesburg und London lebt, ist im ehemaligen Township Soweto aufgewachsen. Er meint, dass sich auch für sogenannte kleine Leute viele neue Möglichkeiten eröffnen - durch all die Gäste, die kamen:

"Die meisten Besucher sagten, dass sie sicher wiederkommen werden. Sie fanden die Südafrikaner gastfreundlich. Unsere Leute können jetzt mit Menschen aus Übersee kommunizieren - es haben sich viele Kontakte ergeben, und auch Möglichkeiten, neue kleine Unternehmen zu gründen. Es wurde auch der Weg bereitet für neue Projekte, besonders am Sektor Bildung und Gesundheit. Es war ein aufregender Moment, für Einheimische wie für Besucher."

Kulturjournal, 12.7.2010

Interview mit dem Wiener Architekten Dustin Tusnovics

Südafrika wird differenzierter wahrgenommen

Der Wiener Architekt Dustin Tusnovics lebt und arbeitet zum Teil in Südafrika. Einen Hauptnutzen der WM sieht er darin, dass die Welt das Land jetzt differenzierter wahrnimmt: "Plötzlich sind die Medien nicht mehr nur mit von Überfällen, Raubmorden und ähnlichem voll. Plötzlich ist Südafrika ein reales Land, mit - natürlich - echten Problemen, aber Südafrika ist ein Land, das den großen Schritt nach vorne macht."

Service

FIFA - Fußball-WM 2010