Liberale beenden Mitte-Links Dominanz

Neue Machtverteilung im Oberhaus

Ein Jahr nach dem Machtwechsel in Japan verlor die Demokratische Partei, die DPJ, im Oberhaus bei der gestrigen Oberhauswahl ihre Mehrheit. Die Dominanz dieser jungen Mitte-Links-Partei ist beendet. Die DPJ muss sich jetzt wechselnden Mehrheiten suchen, um Gesetze durch das Parlament zu bringen.

Inforadio, 12.07.2010

Premierminister Kan gesteht Niederlage ein

Japans Reformer haben eine empfindliche Wahlschlappe erlitten. Statt der angestrebten 54 Sitze erreichten sie bei der Oberhauswahl nur 44 Sitze. Dagegen erhielten die oppositionellen Liberaldemokraten mit 51 Sitzen die meisten Stimmen. Zweiter Wahlgewinner war eine neue Reformgruppe mit dem Namen "Ihre Partei". Sie tritt für weniger Staat ein und errang aus dem Stand zehn Sitze. Premierminister Naoto Kan räumte spät in der Wahlnacht seine Verantwortung für die Niederlage ein. Er hatte ohne Vorbereitung eine höhere Mehrwertsteuer vorgeschlagen, obwohl seine Partei bislang eine solche Erhöhung bis 2013 ausgeschlossen hatte. Kann gibt zu: "Meine Thematisierung der Mehrwertsteuer hat die Bürger wohl etwas überrascht. Ich sehe ein, dass dafür eine ausreichende Erklärung fehlte und dies der große Faktor bei der Niederlage war."

DPJ muss Kompromisse eingehen

Dennoch will Kan als Premierminister weiterregieren. Dabei muss er aber zwei hohe Hürden nehmen. Zum einen droht ihm eine Revolte in der eigenen Partei. Ex-Generalsekretär Ichiro Ozawa möchte Kan bei der Neuwahl des Parteivorsitzenden im September stürzen. Zum anderen haben es alle Parteien abgelehnt, in Kans Regierungskoalition einzutreten. Sie kontrolliert nur das Unterhaus und muss sich nun im Oberhaus wechselnde Mehrheiten suchen. Der Japan-Experte Gerald Curtis: „Niemand will auf ein sinkendes Schiff springen. Daher muss die DPJ alleine regieren. Der Vorteil ist, dass sie jetzt Kompromisse machen muss, sonst kommt es zum Stillstand.“ Dieser Zwang zum Kompromiss könnte die Demokratische Partei reifen lassen.

Politik Kans nicht klar

Die DPJ hat das Vertrauen vieler Wähler verloren, weil sie bislang keinen klaren politischen Kurs verfolgte. So konnte Regierungschef Kan nicht erklären, wofür er die Einnahmen aus einer höheren Mehrwertsteuer verwenden will. Mal wollte er damit griechische Verhältnisse verhindern und die Schulden verringern, mal neue Arbeitsplätze schaffen und mal die Renten sichern. Viele Wähler befürchten daher, dass auch die DPJ die Steuern der Bürger verschwenden wird.

Renten und Gesundheitsversorgung unsicher

Deshalb muss die DPJ ihre Macht mit der Opposition teilen, erklärt Shiratori Rei, Präsident des Instituts für Politikstudien: „In Japan muss ein starker Führer auch auf den Schwächeren achten. Die Japaner mögen lieber eine Konsens-Demokratie als eine Herrschaft der Mehrheit.“ Doch diese Medaille hat ihre Kehrseite: Japans Politik wird nun langsamer auf die großen Zukunftsherausforderungen reagieren. Die Schuldenbegrenzung wird sich verzögern – und die Renten und die Gesundheitsversorgung der vielen Senioren bleiben unsicher.