"Partnerbörse" statt Familie
Nachfolgersuche zunehmend im Internet
Innerhalb der nächsten zehn Jahre bräuchten in Österreich mehr als 55.000 Unternehmer aus Altersgründen einen Nachfolger, so ein Bericht der KMU Forschung Austria. Wer dem Senior-Chef nachfolgen soll, ist aber oft unklar. Immer öfter kommt der Nachfolger nicht aus der Familie: Betriebsbörsen springen als Partnervermittler im Internet ein.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 17.07.2010
Schwierige Nachfolgefrage
Laut einer Studie des market institut im Auftrag der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich hat allein in diesem Bundesland ein Drittel der Unternehmer über 60 noch keinen Nachfolger gefunden. Genaue bundesweite Zahlen gibt es nicht. Das Verhältnis soll aber ähnlich aussehen, sagt die Wirtschaftskammer.
Lieber verkaufen als auflösen
Spätestens vor der Pensionierung müssen Unternehmer einen Partner finden: Nämlich jenen, dem sie ihr Lebenswerk anvertrauen können. Ein Beispiel ist der Salzburger Walter Nähr. Seine Töchter hatten kein Interesse am väterlichen Metallbau-Betrieb. Sie hätten sich für die Übernahme auch nicht geeignet, sagt Nähr. "Eine Frau in einem Metallbetrieb - ich weiß nicht, ob das funktioniert hätte." Walter Nähr musste also einen fremden Käufer finden. Leicht ist ihm das nicht gefallen. Er hat die Firma Nähr gegründet und 30 Jahre lang geführt. Aber das sei ihm immer noch lieber als eine Betriebsauflösung gewesen.
Vermittlung per Online-Börse
Im Internet fand Nähr das Online-Portal "Betriebsbörse" und bot seine Firma zum Verkauf an. Mehrere Interessenten meldeten sich. Die Wahl fiel auf Herbert Lechner. Der Tiroler ist gelernter Schlosser und Industrie-Meister. Selbständig wollte er schon immer werden. Bei früheren Projekten hat es aber immer an Mut oder Geld gefehlt. Bei der Firma Nähr ist Lechner fündig geworden, da hat dann alles gepasst, das Produkt, die Firma und die Finanzierung.
Fließender Übergang
2004 hat Lechner den Betrieb übernommen. Der frühere Besitzer Walter Nähr blieb noch zweieinhalb Jahre im Geschäft, führte Lechner ein und stellte ihn bei Kunden vor. Nur so konnte der Übergang funktionieren, der Betrieb steht jetzt gesund da, sagt Lechner. Der Firma geht es gut, die Mitarbeiterzahl wurde von 12 auf fast 30 aufgestockt, die Jobs sind sicher.
Immer seltener die Kinder
Dieses Beispiel zeigt zwei neue Trends. Erstens kommen die eigenen Kinder seltener für die Betriebsnachfolge in Frage. Das bestätigt Elisabeth Zehetner, Leiterin des Gründer-Service der Wirtschaftskammer. Die externen, also fremden Nachfolger müssen erst gesucht werden. Wer bei Mitarbeitern, Kunden oder Lieferanten keinen Interessenten findet, dem hilft heutzutage das Internet - und das ist der zweite neue Trend.
"Partnerbörse" im Internet
Private Firmen sind in das Geschäft mit der Betriebsnachfolge eingestiegen und bieten im Internet Unternehmensbörsen an. Rudolf Fantl etwa hat 2003 die Betriebsbörse gegründet, wo auch Walter Nähr einen Nachfolger gesucht und gefunden hat. Die Börse funktioniert wie eine Partnervermittlung: Sie erhält den Auftrag, eine Firma zu verkaufen, stellt den Wert des Unternehmens fest und bietet den Betrieb den in einer Datenbank gesammelten Interessenten an. Fantl vermittelt zwischen interessierten Käufern und Inhabern, bietet Steuerberater, Rechtsanwalt und Notar. Ist ein Verkauf erfolgreich, bekommt er eine Provision.
Große Auswahl bei Wirtschaftskammer
Kostenlos ist die Unternehmensbörse der Wirtschaftskammer. 1.500 Betriebe suchen hier gerade nach Käufern bzw. Nachfolgern. Wer einen Betrieb übernehmen will, sollte überprüfen, ob er Anspruch auf Förderungen hat, rät die Wirtschaftskammer. Außerdem muss ein Betrieb nicht vollständig gekauft werden, auch ein Teil-Einstieg ist möglich. Oder man entscheidet sich für Pacht oder Leibrente. Voraussetzung für einen Kredit bei der Bank ist jedoch immer ein guter Business-Plan.