Von schwarzen und roten Umfärbeaktionen
Koalition im Postenfieber
Die bevorstehenden Budgeteinsparungen und Steuererhöhungen sorgen immer wieder für Streit in der Regierung. Doch da ist auch sehr viel Theaterdonner dabei. So richtig hart geht es zwischen SPÖ und ÖVP an einer anderen Front zur Sache: nämlich dort, wo es um Postenbesetzungen geht.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 27.07.2010
"Umfärbe-Kaiser" Strasser
Das Wort "umfärben" ist zum Synonym für parteipolitische Postenbesetzungen geworden. Geprägt wurde das Wort zu der Zeit, als Ernst Strasser von der ÖVP Innenminister war und das jahrzehntelang von der SPÖ dominierte Ressort in Besitz nahm. Bis zum kleinsten Gendarmerieposten kamen ÖVP-Parteigänger zum Zug. Das belegen heikle Emails aus Strassers Umgebung, die den Medien zugespielt wurden.
Der Bogen war eindeutig überspannt. Der Politikwissenschafter Anton Pelinka meint, Machtspiele gehörten grundsätzlich zur Politik dazu: "Es kommt nur darauf an, ist es halbwegs transparent, ist es mehr als bloß Patronage und ist es von der fachlichen Kompetenz her glaubwürdig."
Das Bundesheer "errötet"
Die SPÖ sei um nichts besser, so der Vorwurf aus der ÖVP. Und die Liste der roten Umfärbeaktionen ist lang. Neben den Heeresdiensten, wo SPÖ-Minister Norbert Darabos einen ÖVP-Mann übergangen und damit den bisher üblichen Proporz beendet hat, nimmt die ÖVP vor allem SPÖ-Verkehrsministerin Doris Bures ins Visier.
Zuletzt hat Bures die SPÖ-nahe Verfassungsrichterin Claudia Kahr zur Chefin des ASFINAG-Aufsichtsrates gemacht, was die ÖVP massiv empörte. Es war der bisherige Gipfelpunkt der Umfärbearbeiten von Bures in den großen Machtbereichen ihres Ressorts.
Wirklichkeitsfremd?
Bei der Bahn hat die ÖVP praktisch nichts mehr zu reden. Neuer Chef der ÖBB-Holding ist der SPÖ-Mann Christian Kern. Aus dem Aufsichtsrat hat die ÖVP ihre Vertreter abgezogen. Aus Protest. Denn zuerst hatte Ministerin Bures den früheren ÖVP-Staatssekretär Kukacka nicht als Vizechef des Aufsichtsrats akzeptiert und den Experten Paul Blumenthal, früher bei der Schweizer Bahn, bestellt.
Dann nahm Bures der ÖVP auch noch den Aufsichtratsvorsitz in der ASFINAG weg und bestellte die SPÖ-nahe Höchstrichterin Kahr. Die ÖVP wollte den Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Markus Beyrer, auf dem Posten. Jetzt ist Krieg angesagt. Für den Politologen Anton Pelinka gehört das zum Geschäft: "Die Vorstellung, dass von Parteien in einer Koalition regiert wird, ohne dass parteipolitische Loyalität bei Besetzung eine Rolle spielt, halte ich für wirklichkeitsfremd."
Farbenspiele bei Richtern und Statistikern
Dossiers kursieren, in denen tatsächliche oder angebliche rote Umfärbungen dokumentiert sind. Neben ÖBB, ASFINAG und Heer kommt auch das Kanzleramt vor: Der frühere ÖVP-nahe Leiter des Verfassungsdienstes wurde durch Gerhard Hesse aus dem Kabinett Faymann ersetzt. Mit Konrad Pesendorfer wurde ein Faymann-Berater zum neuen Generaldirektor der Statistik Austria ernannt, und Johannes Schnizer, Kabinettschef von Ex-Kanzler Gusenbauer, wurde Verfassungsrichter. Wobei hier nicht dazugesagt wird, dass die SPÖ für diesen Posten ein Vorschlagsrecht hatte - wie die ÖVP für andere Richterposten auch.
Schwarze Kritik am Gesundheitsminister
Besonders scharf schießen die Schwarzen gegen den roten Gesundheitsminister Alois Stöger, der mit 1. Juli sein Ministerium neu organisiert hat. Da sind etwa aus einer Abteilung in der Sektion I gleich vier geworden - mit drei neuen, der SPÖ zugerechneten Abteilungsleitern, die der zuständige ÖVP-nahe Sektionschef allerdings in Schutz nimmt und als seine besten Leute bezeichnet.
Ein anderer ÖVP-naher Sektionschef, der in Pension ging - die ÖVP sagt "geschickt wurde" - ist durch einen SPÖ-Mann ersetzt worden. Und die Leitung des Fonds Gesundes Österreich wurde neu ausgeschrieben. Vom bisherigen Leiter - einem ÖVP-Mann - hat man sich getrennt, weil der, wie es heißt, die Gebarung des Fonds nicht im Griff hatte. Die ÖVP spricht von einem Umfärbungs-Coup.
Paint it black
Wie auch immer: Die SPÖ ist zweifellos eifrig dabei, ihre Einflussbereiche abzustecken. Doch auch die ÖVP vergisst nicht ganz darauf. Im Finanzministerium hat Ex-Minister Molterer an seinem letzten Arbeitstag seinen Kabinetts-Mitarbeiter Hans Georg Kramer zum Generalsekretär des Ministeriums gemacht - eine Schlüsselfunktion.
Minister Pröll holte seinen ehemaligen Pressesprecher aus dem Landwirtschafts- ins Finanzministerium, wo man ihm eine Sektion zurechtgeschneidert hatte. Im Innenministerium wiederum wurden sowohl das neue Bundesamt für Korruptionsbekämpfung, als auch die übergeordnete Sektion IV mit ÖVP-Leuten besetzt - zwei Schlüsselstellen auch hier.
Unvermeidliche Machtrituale?
Und wer will, kann aus der SPÖ auch noch hören, dass ÖVP-Wirtschaftsminister Mitterlehner seinen Kabinettschef in den Verbund-Aufsichtsrat geschickt hat - knapp bevor das Unternehmen eine Mega-Kapitalerhöhung von einer Milliarde Euro ankündigte, die die SPÖ skeptisch aufnahm.
Nichts entgeht ihnen, alles wird aufgerechnet. Der Politologe Anton Pelinka warnt: "Die Parteien müssen aufpassen, dass das unvermeidliche Machtritual - der Kampf um Positionen und damit um Macht - nicht in den Vordergrund tritt, denn dann werden unter Umständen beide abgestraft." Nämlich bei Wahlen, wo dann die Wähler über die Umfärbung der Stimmenanteile und Mandate entscheiden.