Ruhezeiten systematisch überschritten
Lkw-Fahrtenschreiber manipuliert
Sattelschlepper und Lkw mit übermüdeten Lenkern sind eine enorme Gefahr im Straßenverkehr. Bei Kontrollen der Ruhezeiten prüft die Polizei die elektronischen Fahrtenschreiber. Doch die dürften nur allzu oft und möglicherweise systematisch manipuliert sein, wie Ermittlungen der Polizei ergeben haben.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 28.07.2010
Nur Spitze des Eisbergs
Wie nun bekannt wurde, sind bereits im Herbst in der Steiermark manipulierte Fahrtenschreiber bei 50 Lkw entdeckt worden, 20 Frächtern droht nun der Entzug der Konzession. Und Ö1-Recherchen haben ergeben, dass vor allem auch in Salzburg manipulierte Lkw beschlagnahmt wurden. Es dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein.
Keine Rede von fälschungssicher
Die neuen digitalen Lkw-Fahrtenschreiber sind als fälschungssicher angepriesen worden. Aber sie sind es nicht, sagt der Leiter der Salzburger Polizei-Verkehrsabteilung Friedrich Schmidhuber. Die Fälscher seien heute statt mit Lötkolben und Schraubenzieher eben mit dem Laptop unterwegs.
Auch Neu-Lkw schon manipuliert
Offenbar gelinge es, per Computer Daten am digitalen Fahrtenschreiber nachträglich abzuändern oder gleich die Aufzeichnung mit Magneten oder Zusatzgeräten zu manipulieren. Laut Polizei wurden Mechaniker und Firmen in Salzburg und der Steiermark überführt, die die Manipulationen durchgeführt haben - zum Teil sogar schon im Zuge des Verkaufs nagelneuer Lkw. Die rund 100 in Salzburg und in der Steiermark beschlagnahmten Fahrzeuge seien wohl nur die Spitze des Eisbergs, sagt Manfred Prasch, Leiter der Polizei-Verkehrsabteilung Steiermark. Die Fälschungen seien im Herbst schon gang und gäbe gewesen. Einige Firmen seien dann offenbar vorgewarnt gewesen und hätten die zur Manipulation eingebauten Geräte in Italien wieder ausbauen lassen. Die Polizei geht aber davon aus, dass nach wie vor manipuliert wird.
Schwierige Ermittlungen
Österreichweit sind 800 bis 1000 Polizisten für die Kontrolle von Lenk- und Ruhezeiten ausgebildet. Es gibt aber nur wenige EDV-Experten bei der Polizei, die Fahrtenschreiber-Manipulationen aufdecken können, sagen die beiden führenden Verkehrspolizisten. Und die anschließenden Ermittlungen, so Schmidhuber, seien schwierig: etwa wenn ein österreichischer Frächter mit einer rumänischen Zugmaschine, einem polnischen Auflieger und einem bulgarischen Lenker unterwegs ist. Die Vernehmungen des Lenkers und der Auftraggeber seien sehr zeitaufwändig.
Schwarzgeld und -arbeit
Dazu komme, dass es sich um Neuland für die Gerichte handle. Und oft würden Frächter und Lenker einander die Schuld zuschieben, obwohl sie wohl beide Bescheid wüssten und womöglich von Schwarzgeldzahlungen profitieren. Lohnbestandteile würden illegal ausgezahlt, damit der Lenker einen höheren Verdienst habe und der Unternehmer Lohnnebenkosten spare, so Schmidhuber. Das werde von der Wirtschaftskammer auch immer wieder kritisiert, dass solche schwarze Schafe den redlichen Betrieben Aufträge wegschnappen. Vor allem aber gehe es um die enorme Gefahr im Straßenverkehr. Immer wieder komme es zu Auffahrunfällen durch übermüdete Lkw-Lenker. Für Pkw-Lenker können solche Unfälle tödlich enden.
Gesetzesverstöße an der Tagesordnung
Die Gewerkschaft der Lkw-Lenker fordert schärfere Kontrollen und härtere Strafen für Frächter und Speditionen - und zwar für jene, die ihre Lenker zwingen würden, die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten nicht einzuhalten. Von Ausbeutung der Fahrer und einem enormen Risiko im Straßenverkehr spricht die Gewerkschaft. Anlass sind aufgeflogene Manipulationen an digitalen Fahrtenschreibern bei rund 100 Lkws und 40 Firmen in Salzburg und der Steiermark. Derartige Manipulationen und Ruhezeit-Überschreitungen sind laut Polizei Gang und gäbe. Das bestätigt auch ein Lkw-Lenker, der sich bei Ö1 gemeldet hat und der anonym bleiben will.
Mittagsjournal, 28.07.2010
Fahren oder fliegen
Er sei selbst vor Jahren einmal 23 Stunden praktisch durchgefahren, sagt der Lkw-Lenker. Dass er ein solches Risiko nicht mehr eingehen will, habe ihm schon Arbeitsplätze gekostet.
Der Druck auf die Fahrer sei also enorm. So gut wie keiner würde von sich aus die Lenk- und Ruhezeiten nicht einhalten oder Fahrtenschreiber manipulieren.
EU: 200 Stunden im Monat
Aber laut dem Gewerkschaftssekretär der Sektion Verkehr Georg Eberl , gibt es Firmen, die obwohl das verboten ist, ihre Fahrer nach gefahrenen Kilometern entlohnen.
EU-weit gilt unter anderem: Pro Tag darf ein Lenker maximal 9 Stunden fahren und zweimal pro Woche 10 Stunden. Macht pro Monat rund 200 Fahrtstunden. Faktum ist laut Eberl aber, dass europaweit viele Lkws und Fahrer nachweislich deutlich mehr Stunden und 25.000 Kilometer pro Monat fahren
Kontrollen bekannt
Ist die erfolgte Manipulation von Fahrtenschreibern also nur die logische Folge? Die Programme dafür waren laut dem Lkw-Lenker, der anonym bleiben will, schon käuflich, bevor die neuen digitalen Fahrtenschreiber überhaupt verwendet wurden:
Dass die Polizei in Salzburg und der Steiermark 100 manipulierte Lkws von rund 40 Firmen erwischt hat, sei zu wenig, ein Tropfen auf dem heißen Stein. Polizeikontrollen seien leider oft vorhersehbar, sagt der Lkw-Lenker.
Und bei einer konkreten Kontrollstelle hätten Fahrer und Frächter gewusst, dass immer am Dienstag und Donnerstag und nie an anderen Tagen kontrolliert werde.
Lockerung mancher Regeln
Der Lkw-Lenker und die Gewerkschaft wünschen sich daher mehr überraschende Kontrollen und härtere Strafen.
Der Lkw-Lenker, der anonym bleiben will, relativiert aber auch ein bisschen. Etwas mehr Toleranz bei geringfügigen Ruhezeitüberschreitungen würde er sich schon wünschen, sagt er. Und die Langeweile am Steuer eines Lkws der ständig mit derselben Geschwindigkeit auf der Autobahn fahre, sei auch ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko.
Auch Wirtschaftskammervertreter wünschen sich eine Lockerung mancher Regelungen und sprechen von schwarzen Schafen. Die die Tricksereien über die Legalität hinaus gemacht hätten, müssten aber streng bestraft werden.