Freie Dramaturgie mit großer Tiefe und Subtilität

Salzburg: Triumphale "Dionysos"-Uraufführung

Mit allergrößter Spannung wurde Dienstagabend die erste Musiktheaterpremiere in Salzburg erwartet. Es war eine Uraufführung des deutschen Komponisten Wolfgang Rihm, an der er 15 Jahre lang gearbeitet hat: "Dionysos". Der deutsche Künstler Jonathan Meese hat das Bühnenbild geschaffen.

Kultur aktuell, 28.07.2010

"Eine wunderbare Erfahrung"

Einen solchen Triumph bei der Uraufführung einer zeitgenössischen Oper, das ist wohl auch in der nunmehr 90-jährigen Geschichte der Salzburger Festspiele eine Rarität. Es hatte sich schon in den letzten Tagen in Salzburg herumgesprochen, dass die Werkstatt Salzburg hier etwas Außergewöhnliches, außerhalb der Norm Stehendes hervorbringen würde.

Der Dirigent Ingo Metzmacher, der die hochkomplexe, so überreiche Partitur mit seinem Deutschen Symphonie Orchester fulminant zum Klingen brachte, sagte am Premierentag zu Wolfgang Rihms "Dionysos": "Ich glaube, dass es für alle Beteiligten eine wunderbare Erfahrung ist, es hat einen besonderen Sog verursacht und ich hoffe, dass wir den Sog heute Abend zur Kulmination führen können mit diesem wunderbaren Stück."

Und dieser Sog und diese Kulmination, die fanden gestern Abend bei der Premiere im Haus für Mozart in Salzburg zweifellos statt und Pierre Audi, der Regisseur der Uraufführung sprach davon, welche Herausforderung diese Arbeit war.

Denn er hatte die Partitur erste zwei Monaten vor der Uraufführung bekommen, es gäbe keine wirkliche Handlung, sondern eine sehr freie Dramaturgie mit großer Tiefe und Subtilität.

Rihms Opernphantasie

Wolfgang Rihm hatte 15 Jahre an "Dionysos" gearbeitet, Ausgangpunkt waren die Dionysos-Dithyramben von Nietzsche, Bruchstücke davon bilden das Libretto. Mythologische, philosophische und natürlich unendliche musikalische Bezüge gibt es zuhauf. Rihm verwarf Anfang Dezember des vergangen Jahres das Ganze und schrieb die Oper vollkommen neu, genauer: Er nennt das Werk eine "Opernphantasie".

"Ich hörte Frauen lachen", sagt Rihm, "und das Frauenlachen ist der Beginn, und von da an bin ich in die Situation hineingekommen - aus der Freude heraus erfahren zu dürfen, was jetzt geschieht."

Rauschhaft entgrenzende Ekstase

Dionysos ist nie auf der Bühne zu sehen und doch ist er immer präsent, in der Figur N, also Nietsche, in seinem Gegenspieler Apoll, der den Marsyas häutet, im Wahnsinn und der entgrenzenden Ekstase im Bordell, und vor allem in der Musik. Er ist der ungenannte, der gliederlösende Gott des Rausches, der Musik, des Theaters. Mit dem Künstler Jonathan Meese hat Regisseur Pierre Audi einen Bühnenbildner und Visionär ins Spiel gebracht, der Rihms Musik kongenial begleitet.

"Gedanken sind viel zu langsam für Musik", so Meese. "Man muss instinktiv arbeiten, metabolisch, und die Dinge laufen lassen - nicht zu viel 'ich'"