Moskau braucht Geld fürs Budget

Größte Privatisierungswelle seit den 1990ern

In Russland sollen die größten staatlichen Firmen verkauft oder zumindest teilprivatisiert werden, das Finanzministerium hat entsprechende Medienberichte inzwischen bestätigt. Noch ist offiziell nicht klar um welche Firmen es sich handelt, klar ist nur dass es die größte Privatisierungswelle seit Anfang der 1990er sein wird.

Mittagsjournal, 29.07.2010

Bahn, Öl, Bank - 20 Milliarden Euro

Die russische Eisenbahn, der Betreiber des staatlichen Pipeline-Netzes Transneft, der wichtigste Ölkonzern Rusneft und die stärkste Bank des Lands Sberbank - das sind die größten Brocken in der geplanten Privatisierung, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Bis zu 25 Prozent der Aktien sollen verkauft werden, bestätigt das Finanzministerium, die Regierung hofft auf mehr als 22 Milliarden Euro.

Hauptsache Geld

Der Hintergrund: Durch die Wirtschaftskrise ist das russische Budget ins Minus gerutscht. Durch die Privatisierungserlöse soll das Defizit in den nächsten vier Jahren von 8 Prozent auf vier Prozent gesenkt werden. Der Rektor der Volkswirtschaftlichen Akademie, Wladimir Mau, warnt allerdings, dass es bei den Verkäufen nicht nur um Geld gehen dürfe: "Das Hauptziel der Privatisierungen muss die Verbesserung dr Wirtschaft sein, also strategische Investoren, Erhöhung der Effektivität, Verringerung der Rolle des Staates in der Wirtschaft", sagt Mau im Gespräch mit dem Radiosender Business FM.

Attraktive Kandidaten

Gerade die Rolle des Staates ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Nach den chaotischen Privatisierungen nach dem Zerfall der Sowjetunion hat der frühere Präsident Wladimir Putin viele große Unternehmen wieder unter Kontrolle des Staates gebracht. Rosneft gehören heute zum Beispiel große Teile des Ölkonzerns Jukos von Michail Chodorkowski, der von der Regierung unter fragwürdigen Bedingungen zerschlagen wurde. Käufer werden nicht schwer zu finden sein, meint Sergei Vasiliev, der stellvertretende Direktor der Außenwirtschaftsbank VEB: "Das ist ein Ereignis mit Signalwirkung. Solche großen Privatisierungen hat es schon seit langer Zeit nicht mehr gegeben, und ich glaube sie werden großes Interesse hervorrufen."

Geheimdienst statt Oligarchen?

Von den Privatisierungen der 1990er haben vor allem die sogenannten Oligarchen profitiert, Geschäftsleute mit enger Verbindung zur damaligen politischen Elite. In der Führung der staatlichen Unternehmen, die teilweise verkauft werden sollen, sitzen jetzt meist Vertraute von Wladimir Putin. Viele Kommentatoren warnen bereits, dass die neue Privatisierungswelle ähnlich ablaufen könnte wie vor 15 Jahren - profitieren würden eben nicht die Oligarchen, sondern die neue Elite, die ihren Hintergrund im Geheimdienst hat.