Der flämische Kulturattache in Wien

Die belgische Kultur während der Ratspräsidentschaft

Belgien hat im 2. Halbjahr 2010 die EU-Präsidentschaft inne. Das Land ist immer wieder wegen der Konflikte zwischen Flamen und Wallonen im Gespräch. Die Flämische Regierung unterhält eine Vertretung in Wien, deren Leiter auch Kulturattaché ist.

Kulturjournal 06.08.2010

Interview mit André Hebberlinck, Leiter der Flämischen Vertretung in Wien

Die Flämische Vertretung in Wien ist auch für die Nachbarländer Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien zuständig. Die Eröffnung des Wiener Büros wurde relativ bald nach dem Fall des Eisernen Vorhangs beschlossen.

Es vertritt Flandern in Wirtschaft und Handel, aber auch in Kultur, Unterricht und Forschung. Für die EU Präsidentschaft sind mehrere Kultur-Projekte gestartet worden. Was Österreich betrifft, wurde die Kooperation mit dem Impulstanzfestival ausgeweitet. Dazu kommt ein großes Jugendtheater Projekt bei dem zwischen September 2010 und Juli 2011 etwa 60 flämische Theaterproduktionen von oder für Jungendliche nach Österreich kommen.

Warum die Vertretung der flämischen Bevölkerungsgruppe da besondere Aktivitäten entwickelt, erklärt sich durch die immer wiederkehrenden Autonomiebemühungen in der jüngeren Geschichte Belgiens. So gab es seit 1961 vier Verfassungsänderungen, die den Autonomiewünschen der jeweiligen Bevölkerung Rechnung tragen sollten.

Kultur aktuell, 6.08.2010

Die Wirtschaft macht den Unterschied

Die Unterschiede zwischen Flamen und Wallonen sind in erster Linie wirtschaftlich bedingt -das begann schon in den 1930er Jahren, damals waren die Wallonen mit der Eisen und Kohlenindustrie führend waren.

Heute haben sich die Gewichte verlagert, und Flandern hat eine blühende Wirtschaft, was großzügige Subventionen auch im Kulturbereich ermöglicht, erklärt André Hebberlinck, Leiter der Flämischen Vertretung in Wien

"Und dann kam glücklicherweise dazu, dass wir in der Wirtschaft eine Hochkonjunktur hatten. Das Flandern sich zusammen mit Nordrhein-Westfalen zu einer der reichsten Regionen Europas entwickelt hat. Und dann haben wir uns die kulturelle Infrastruktur geleistet, weil wir das wegen dieser außergewöhnlich guten Wirtschaftslage konnten."

Großzügige Subventionen

Stichwort Großzügigkeit: man muss nicht Belgier sein, ja nicht einmal der flämischen Sprache mächtig sein, um in den Genuss von Subventionen zu kommen. Die Konsequenz: "Kultursparte, die Produktionshäuser im Bereich Literatur, Musik und Tanz sind möglicherweise Wegbereiter für eine Realität in der die Bevölkerung mehrsprachig ist", sagt André Hebberlinck.

Keine Teilung Belgiens

Auf eine eventuelle Teilung Belgiens, die in Kommentaren immer wieder erwähnt wird, angesprochen, meint André Hebbelinck diese Hypothese sei unwahrscheinlich, sie sei das Gegenteil der europäischen Idee, an der den Belgiern viel gelegen sei.

"Was ist das europäische Projekt? Unter der Europäischen Union ist es gelungen das Staaten mit unterschiedlichen Sprachen, mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen und Staaten mit unterschiedlichen Auffassungen, wie eine Gesellschaft gestaltet werden soll, trotzdem zusammen arbeiten. Eine radikale Trennung wäre genau das Gegenteil von dem was Europa ist und wird, soweit ich das sagen kann, nicht stattfinden", sagt der Leiter der Flämischen Vertretung in Wien.