Claudia Schmieds Reden zur Festspielzeit

Krise der Kultur und Werte?

Claudia Schmied (SPÖ), Bundesministerin für Bildung, Kunst und Kultur lässt zur Festspielzeit durch programmatische Eröffnungsreden aufhorchen. Sie spricht über die Folgen der Finanzkrise auf die Gesellschaft ebenso wie über die aktuelle Budgetentwicklung ihres Ressorts.

Kulturjournal, 11.08.2010

Gesellschaftliche Verantwortung

Im September 2008 musste Lehman Brothers Insolvenz anmelden und löste damit eine globale Finanzkrise aus. In ihrer Eröffnungsrede der diesjährigen Salzburger Festspiele spricht Claudia Schmied von einer Krise der Kultur und Werte und fordert einen radikalen Paradigmenwechsel hin zu einer Kultur der gesellschaftlichen Verantwortung. Die Rolle des Staates werde neu geschrieben. Die Spielregeln der Finanzwirtschaft könnten nicht mehr von dieser allein bestimmt werden.

Das bedeutet für Claudia Schmied konkret, "dass wir eine selbstbewusste Politik brauchen, eine Politik, die ihre Verantwortung wahrnimmt und die Gestaltungskraft entwickelt", so die Bundesministerin, "Das heißt, für mich, natürlich auch, dass wir im öffentlichen Bereich enorme Expertise aufbauen müssen. Ich glaube, dass wir unmittelbar vor einer Renaissance des Staates stehen im Sinne eines leistungsorientierten öffentlichen Sektors."

Budget wird ausreichen

Marktwirtschaftlich orientierte Staaten haben in Folge der Finanzkrise sehr viel Geld in die Märkte geschmissen und die Staatsbudgets damit belastet. Sparen ist angesagt. Mit den geplanten Kürzungen von 1,5 bis 3,5 Prozent pro Ressort - wie Schmied meint - sei allerdings das Auslangen zu finden.

"Es ist in beiden Budgets - für 2011 - davon auszugehen, dass wir die für uns wichtigen Maßnahmen fortsetzen können", sagt Schmied. "Wenn ich jetzt an den Kunst- und Kulturbereich denke, dann ist das - für mich zum Beispiel ganz wichtig - Gratiseintritt für Kinder und Jugendliche in die Bundesmuseen, oder auch die Stipendienprogramme und Nachwuchsförderung."

Von "kalter Enteignung" will Schmied also nichts wissen. Der Status quo sei gewährleistet. Zusatzprojekte wie die "Neue Mittelschule" seien finanziert, "eingepreist", wie die Ex-Bankerin meint; das "Neue Strukturgesetz", das die soziale Lage von Künstlerinnen und Künstlern verbessern soll, oder die Stärkung der österreichischen Filmwirtschaft sollen in Zusammenarbeit mit anderen Ministerien beziehungsweise Partnern in der Wirtschaft "budgetschonend" umgesetzt werden.

Weitere Krise verhindern

"Parallel dazu ist natürlich immer wieder auch die Frage zu stellen - da sind wir bei den Spielregeln - was ist zu tun, damit das nicht ein zweites Mal passiert?", so Schmied, "Nämlich dass zunächst, wenn alles gut geht, die Gewinne privat abgeschöpft werden, und dann, wenn es schlecht wird, eben aus der Angst heraus, einen Flächenbrand auszulösen, die öffentliche Hand zum Zug kommt." - Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Verluste, meint Schmied.

Mittagsjournal, 11.08.2010

Zeitgenössische Kunst als Impuls

Im Herbst wird also das Budget 2011 beschlossen. Auch wenn Schmied im Kunstressort in den letzten Jahren auf einen Budgetzuwachs verweisen kann, ein Großteil der 430 Millionen Euro pro Jahr bleibt fix verplant. Rund 88 Prozent des Kunstbudgets gehen an die Bundesmuseen und die Bundestheater, noch einmal 9 Prozent in den Denkmalschutz. Ihr Budget sieht die Ministerin gut angelegt, wenngleich sie feststellen muss, dass sehr viel Geld investiert wird, um die Schätze der Vergangenheit zu sichern.

"Wir müssen in eine 'sowohl als auch'-Position kommen, das heißt, auch die zeitgenössische Kunst wird in den Dienst der etablierten Kulturinstitutionen gestellt und das muss der Weg in die Zukunft sein. Wenn das kunsthistorische Museum jetzt an Autoren und Autorinnen, an Schauspieler und Schauspielerinnen den Auftrag vergibt, zu den alten Meistern hier und heute Stellung zu nehmen, dann gehen auch aus dem Traditionellen heftige Impulse aus, die sich auch auf das zeitgenössische Kunstschaffen auswirken. In die Richtung, denke ich, sollten wir stärker gehen.

Große Aufgabe und Realpolitik

In ihrer Rede bei den Bregenzer Festspielen thematisierte Claudia Schmied die Angst der Menschen vor dem Fremden. Das Eigene hoch zu schätzen und mit großer Selbstsicherheit die eigenen Werte zu leben, das nehme die Angst. Als Politikerin könne Sie wesentlich dazu beitragen, die Menschen in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken. Allein, die Realpolitik im Ministerrat - Beispiel Budgetverhandlung für das österreichische Filminstitut - sieht zuweilen anders aus.

"Natürlich gibt es Phasen in denen es für einen selbst schon sehr unverständlich wird", meint Schmied. "Ich bringe ein Beispiel: Wir haben, ich weiß nicht wie lang - das war noch in der vorhergehenden Legislaturperiode - über zwei Millionen Aufstockung des Öffi-Budgets mit dem Finanzministerium verhandelt. Es ist dann nach vielen Monaten geglückt. Auf der anderen Seite dann wieder war die Bankenhilfe sehr rasch durch den Ministerrat. Da gibt es eben dann mitunter auch unterschiedliche Geschwindigkeiten, je nach Dramatik des Themas. Das immer wieder abzuwägen fordert jeden einzelnen von uns schon auch heraus."

Von der Wirtschaft in die Politik

Die Imagewerte der Banken stehen, spätestens seit der Insolvenz der Lehman Brothers im September 2008, nicht hoch im Kurs. Ex-Bankerin Claudia Schmied hatte eineinhalb Jahre davor durch ihren Wechsel in die Politik sprichwörtlich die Kurve gekratzt. Dass es soweit kommen würde, das hätte einige Zeit vorher niemand gedacht, meint die Ministerin. Auf die Frage, ob Sie sich heute in Zeiten, in denen das Politikgeschäft rasant an Zustimmung verliert, in ihren früheren Job zurück wünscht, meint Schmied: "Also, als Politikerin beobachtet man vielleicht noch aufmerksamer, was passiert. Eine Fusion 'jagt die andere'. Arbeitsbeziehungen werden unterbrochen, neue Spielregeln werden etabliert. Da ist eine gesamte Branche gewaltig in eine Umbruchsphase gekommen. Und persönlich kann ich nur sagen, ich möchte kein Jahr, dass ich in der Bankenwelt verbracht habe, missen, fühle mich aber auf der anderen Seite jetzt auch hier in der Poltik sehr wohl."

Nachhaltige Investitionen

"Ein paar Milliarden Schulden bereiten mir weniger schlaflose Nächte als ein paar hunderttausend Arbeitslose", sagte mal Bruno Kreisky. Schmied stimmt auch heute noch zu.

"Ganz wichtig ist es, dass wir die Staatsausgaben unter dem Investitionsaspekt sehen", so die Ministerin. "Ich kann also insofern den Worten Bruno Kreiskys sehr viel abgewinnen. Man müsste es wahrscheinlich heute noch viel stärker im Zusammenhang mit der Frage der Nachhaltigkeit sehen. Also, wie wirken unsere Investitionen nach und haben wir nicht doch auch strukturelle Themen, die wir anpacken müssen und wo wir Weichen neu stellen müssen?"

Verantwortlichkeit für Bürger/innen

Macht braucht Ermächtigung, meinte die deutsche Philosophin und Publizistin Hannah Arendt. Wer ermächtigt die Kunstministerin?

"Die entscheidende Frage war damals natürlich die des damaligen Bundeskanzlers, der mich gefragt hat, ob ich Ministerin sein möchte, ob ich mir das zutraue", meint Schmied. "Und ich bin jeden Tag den Bürgerinnen und Bürgern verantwortlich, mit dem, was ich tue, was ich entscheide - wir haben regelmäßig im Parlament Unterrichtsausschuss, Kulturausschuss, wo über all die Maßnahmen auch sehr breit diskutiert wird. Und, wenn ich es jetzt vergleiche, vorher - meine Tätigkeit in der Wirtschaft, jetzt - meine Tätigkeit in der Politik, dann ist das Maß der Kontrolle und die Höhe der Verantwortung, wie man es auch persönlich spürt, ungleich intensiver als in der Wirtschaft, weil man sich auch einfach täglich den Diskussionen stellen muss."

Sorgfältige Entscheidungsfindung

Macht ist etwas Positives, meint Schmied. Macht heißt Dinge durchsetzen können, Verantwortung leben. In diesem Sinne seien auch ihre Personalentscheidungen im Kulturbereich zu verstehen. Diese waren immer wieder für Überraschungen gut und blieben nicht ganz unkommentiert von Seiten Ihrer Kritikerinnen und Kritiker.

"Mir geht es ganz stark um das Autotelische, das aus der Sache heraus begründete. Und dann ist es für mich wichtig, eine gute Entscheidung für die jeweilige Institution zu treffen. Und es ist mir dann weniger wichtig, anderen dabei zu gefallen. Ich besuche auch immer wieder sieben bis acht der Bewerberinnen an ihrem jeweiligen Arbeitsplatz, weil für mich die Wahrnehmung der Person in ihrer Institution ganz entscheidend ist. Das ist, wie gesagt, ein sehr zeitaufwändiger Prozess, aber gut investiert, weil es ja doch um Schlüsselpositionen in der österreichischen Kulturwelt geht."