Machtinhaber Putin profitiert davon

Halb Russland brennt

Die Wald- und Torfbrände in Russland wüten weiter. Die Brandfläche ist zwar kleiner, die Zahl der Brände hat aber wieder zugenommen. Viel wird nun über die politischen Folgen der Brandkatastrophe gerätselt. Einer der führenden Moskauer Meinungsforscher sieht für die Kreml-Spitze keine Gefahr.

Mittagsjournal, 13.08.2010

Propaganda zeigt Führung in bestem Licht

Lew Gudkow vom Moskauer Lewada-Zentrum unterscheidet scharf zwischen denen, die die anhaltende Brandkatastrophe aus eigenem Erleben kennen und denen, die allabendlich das Rettungsspektakel im russischen Fernsehen beobachten: „Der größte Teil des Landes sieht das Geschehen nur im Fernsehen und hier spielt die Propaganda eine große Rolle. Hier sieht man: Die Führung reagiert schnell, effektiv und umsichtig. Und an Kritik ist überhaupt nicht zu denken.“

Informationen werden gefiltert

Dass sich die Sterblichkeit in Moskau in der Hitzephase verdoppelt hat, weiß in der russischen Hauptstadt jeder. Doch die Spitäler sind offenbar angewiesen, keinerlei Kontakt mit der Presse zu suchen, Berichterstattung über dieses Thema ist unerwünscht.

Kontrolle über russische Fernsehprogramme

Putin hat offenbar aus den Katastrophen gelernt. Popularitätseinbrüche wie etwa nach dem Untergang der Kursk, nach den Geiselnahmen in Moskau und Beslan, darf es nicht mehr geben. Die völlige Kontrolle über Russlands Fernsehprogramme hat daher für den Kreml oberste Priorität. Lew Gudkow sagt: „Putin ist bei den Waldbränden immer an Ort und Stelle. Er verteilt die Hilfsmittel, er macht die lokalen Behörden herunter, er kritisiert scharf ihr Vorgehen. Dann setzt er sich selbst ins Cockpit des Löschflugzeuges.“

Keine Auswirkungen auf die nächsten Wahlen

All diese Ausnahmesituationen sind auch schnell wieder vergessen. Medwedjew, der im Moment kaum in Erscheinung tritt, kann morgen wieder medial präsent sein. Die Kremlregie lässt sich hier alle Möglichkeiten offen. Auswirkungen auf die kommenden Parlaments- und Präsidentenwahlen sieht der Meinungsforscher daher nicht.

20 Prozent Kreml-Kritiker

Das Potential der Kreml-Kritiker beziffert Lew Gudkow mit etwa zwanzig Prozent, wobei acht Prozent das Führungsduo aus Gründen der Sowjetnostalgie ablehnen. Das kritische Potential beläuft sich also gerade einmal auf 12 Prozent. Lew Gudkow: „Diese Leute verstehen, dass die Brände etwas mit einer ganz bestimmten Politik zu tun haben. Das heißt, mit der Reduzierung der Feuerwehren und der Schutzmaßnahmen für die Wälder. Der Rest der Bevölkerung kann keinen Zusammenhang zwischen den gesetzlichen Änderungen und den Bränden herstellen.“ Das ist auch ein Glück für die Führung, die alles tut, dass über diese Zusammenhänge nicht geredet wird.

Man hat aus der Kursk-Katastrophe gelernt

Vor zehn Jahren, als die Kursk versank und der damalige Präsident Putin gerade am Anfang seiner Karriere stand, war das noch anders: „Damals gab es noch den unabhängigen Sender NTV. Wenn nicht die Opposition, so konnten doch die Kritiker zu Wort kommen und präsentierten auch Alternativen. Kurzum: Es gab eine reale Diskussion darüber, wie sich die Führung verhalten hat. Das ist heute der reinen Apologie, das heißt der Rechtfertigung, gewichen.“