Frauen in den Hochkulturen Ägyptens und Mesopotamiens

Prinzessinnen, Dichterinnen, Arbeiterinnen

Das heute verbreite Bild von den Frauen in der Antike ist stark von ihrer Rolle im alten Griechenland und in Rom geprägt: von ihrer nahezu vollständigen Entrechtung.

In Ägypten gehen die Frauen auf den Markt und treiben Handel, die Männer sitzen zu Hause und weben." - So schrieb der darob höchst erstaunte Herodot. Für ihn, den griechischen Historiker, war eine solche Arbeitsteilung undenkbar: Frauen im alten Griechenland konnten nichts verkaufen, weil sie nichts besitzen konnten, was sie nicht am Körper trugen. Sie waren, juristisch gesehen, "nicht geschäftsfähig".

Indes galt dies nicht - oder bei weitem nicht in diesem Ausmaß - für die alten Kulturen Ägyptens und Mesopotamiens: In Akkad und Babylon traten Frauen in Prozessen als Klägerinnen auf, auch gegen Männer, und verteidigten ihr Eigentum.

Zahlreiche keilschriftliche Prozessurteile, die auf Tontafeln die Zeiten überdauerten, beweisen das. Die Frauen gewannen oder verloren diese Verfahren, aber von einer geschlechtsspezifischen Rechtsprechung ist in diesen Dokumenten nichts zu bemerken.

Ein griechisches Missverständnis

Auch Herodots Beschreibung der babylonischen Tempelprostitution beruht auf einem krassen Missverständnis: Richtig ist, dass in den Tempeln des Zwischenstromlandes Frauen stark präsent waren.

Dass sie dort der Prostitution nachgingen, ist hingegen ein typisch griechisches Missverständnis: Tempel waren in sumerischen Zeiten nicht Bordelle wie in Griechenland, sondern vor allem wirtschaftliche Unternehmen. Sie kontrollierten die Ländereien, die Produktion von Nahrungsmitteln und Textilien, sie häuften die Überschüsse an und verwalteten die Vorräte.

Die Tempel waren, wollte man es in heutigen Worten ausdrücken, die Konzerne Mesopotamiens. Wenn Frauen dort eine große Rolle spielten, dann zeigt das gerade ihre ökonomische Eigenständigkeit. - Die Entrechtung der Frau, der "Machismo" samt "Hure und Heiliger", so könnte man vereinfacht sagen, ist eher eine europäische Erfindung, keine orientalische.

Das Testament der Naunachte

Auch in Ägypten, dem "Geschenk des Nils", verfügten Frauen eigenständig über ihren Besitz, wie der Grieche Herodot auf den Märkten verblüfft feststellte. Sie konnten ihre Habe auch nach Belieben vererben.

Überliefert ist etwa das Testament einer Naunachte, einer Frau aus der Arbeiterstadt Deir el-Medine. Dort lebten über Jahrhunderte jene Steinmetze, Maler, Graveure und einfachen Grubenarbeiter, die die berühmten Gräber des "Tals der Könige" schufen.

Naunachte, von vieren ihrer acht Kinder offenbar enttäuscht, enterbte diese kurzerhand: "Was mich angeht, so bin ich eine freie Frau in Deinen (Anm.: des Pharaos) Ländern. Ich habe diese acht Diener von Dir aufgezogen und ihnen eine Ausstattung gegeben mit allem, was sich gehört. Aber nun bin ich alt, und sie kümmern sich nicht um mich. Denjenigen, die mir beigestanden haben, will ich mein Eigentum geben, aber denjenigen, die mir nichts gegeben haben, denen will ich nichts geben." So verfügte die alte Frau zornig.

Von dem Testament wissen wir, weil es, wie auch heute nicht unüblich, von den Enterbten angefochten wurde. Im folgenden Gerichtsverfahren bekam Naunachte Recht, ihr letzter Wille wurde, so die Aktenlage auf Papyrus, erfüllt.

Trotzdem nicht Gleichberechtigt

Das alles bedeutet nicht, dass Frauen in Ägypten und Mesopotamien in einem heutigen Sinn gleichberechtigt gewesen wären. So konnten sie kaum höhere Beamtenpositionen bekleiden oder gar Pharaoninnen oder - im Zweistromland - Königinnen werden.

Ein einziger Fall einer auch offiziellen weiblichen Herrscherin ist - neben einigen Regentinnen für minderjährige Könige - aus der 2.500jährigen Geschichte des alten Ägypten bekannt: Hatschepsut. Sie nahm dafür männliche Attribute an, auf Bildern und Statuen ziert der bekannte ägyptischen Ritualbart ihr Kinn, in ihren Inschriften ist von "ihm" die Rede, und sie nutzte das übliche Königstitular in männlicher Form. Das darf nicht erstaunen: Nach ägyptischer Mythologie ist der Pharao Horus, der wiedergeborene Sohn des Gottes Osiris, und damit eben ein Mann.

Frauen in der Politik

Königsfrauen und Königstöchter machten allerdings heftig Politik, und nicht nur durch ihre gezielte Verheiratung. In Mesopotamien standen der König und seine Herrschaft immer in Konkurrenz zu den ökonomischen Zentren, den Tempeln.

Das gilt auch für Sargon von Akkad, den "Karl den Großen" des Orients: Sargons Herrschaft um etwa 2.300 v. Chr. bildete einen Wendepunkt in der Geschichte Mesopotamiens, indem er erstmals die bestehende Kleinstaaterei überwand und zum Gründer des ersten zentral geführten Territorialreichs an Euphrat und Tigris wurde.

Die Tempel wiederum brachte Sargon unter Kontrolle, indem es ihm gelang, seine Tochter En-hedu-ana (auch Encheduanna) als Oberpriesterin gleich mehrerer großer Tempel der wichtigen Städte Ur und Uruk durchzusetzen.

Die Prinzessin gab sich indes nicht damit zufrieden, ihre Vaters Politik abzusichern: Sie begann zu dichten, Hymnen und Poeme zu schreiben. Und zwar, darin besteht das Außergewöhnliche für die damalige Zeit, unter ihrem persönlichen Namen und unter Darstellung von Details aus ihrem Leben.

Sie schrieb über sich selbst, ihre Gefühle und Vorstellungen und bestand auch auf ihrer Urheberschaft für ihre Texte. En-hedu-ana ist damit die erste persönlich mit ihrem Werk auftretende Autorin der Welt.