In Österreich und den USA zuhause

Porträt John Wray

Mit seinen 39 Jahren schaut der Amerikaner John Wray bereits auf eine beachtliche Karriere zurück: Drei Romane hat er veröffentlicht, zwei davon hat Peter Knecht ins Deutsche übersetzt. Im deutschsprachigen Raum wird er als große Entdeckung gefeiert.

Der endgültige Durchbruch kam im vergangenen Jahr mit "Retter der Welt". Der Protagonist: ein 16-jähriger Amerikaner, der an Schizophrenie leidet. Lowboy nennt er sich. Wray ist der Erfolg aber ganz offensichtlich nicht zu Kopf gestiegen.

Kulturjournal, 17.08.2010

Katrin Materna

Versteckte Krankheit Schizophrenie

"Wer einen Schizophrenen zum Romanhelden macht, braucht Können und Mut", war in einer Rezension zur deutschsprachigen Ausgabe von "Retter der Welt" zu lesen. John Wray selbst ist da deutlich bescheidener. Das Können sei reine Fleißarbeit, beteuert der auffallend schlanke, schlicht gekleidete Autor. Ihm war daran gelegen, diese Krankheit so realitätsnah wie möglich zu schildern.

"Schizophrenie ist, zumindest in den Staaten, auch heute noch eine der wenigen Krankheiten, die die Leute nicht gern zugeben", sagt Wray. Dabei, so Wray, sei einer von hundert Menschen betroffen. Er selbst sei schon als Kind mit der Krankheit in Berührung gekommen: "Als Bub habe ich zwei ältere Jungen kennen gelernt, die beide später, als sie Teenager waren, an Schizophrenie erkrankten. Wobei der Lowboy viel mehr Ähnlichkeit mit mir hat, als mit irgendjemand anderem."

Auswandern wegen Bush

John Wray, mit bürgerlichem Namen John Henderson, ist Jahrgang 1971. Geboren wurde er in Washington/USA, aufgewachsen ist er in Buffalo. Dennoch spricht der heute 39-Jährige von klein auf auch Deutsch. Als Sohn eines amerikanisch-österreichischen Elternpaares ist er es gewöhnt, mühelos von einer Sprache in die andere zu wechseln. Die Mutter stammt aus Kärnten. Für Wray ist dieser Teil seiner Identität äußerst präsent. Inzwischen verbringt er etwa ein Drittel seiner Zeit in Österreich. Er hat beide Staatsbürgerschaften.

"Als Bush Präsident war, habe ich mir oft gedacht: Wie schön wäre es, in einem Land zu leben, wo ich wieder mal die Zeitung lesen könnte, ohne Schmerz zu empfinden oder Verzweiflung", so Wray. "Damals habe ich mir gedacht: Na ja, du hast ja einen österreichischen Pass, du könntest ja jederzeit auswandern."

"Obskures Thema" für Amerikaner

Es ist also kein Zufall, dass Wray seinen ersten Roman ausgerechnet in Österreich spielen ließ. "Die rechte Hand des Schlafes" erzählt von Oskar Voxlauer, einem Österreicher, der nach dem Ersten Weltkrieg in seine Heimat zurückkehrt, eine Kleinstadt in den Bergen. Ruhe will er dort finden. Doch es ist das Jahr 1938 und der "Anschluss" durch das Nazi-Regime steht kurz bevor. Kein einfaches Kapitel der Geschichte.

Für Wray war die unterschiedliche Lesart seines Erstlingswerkes in seinen beiden Heimatländern eine Überraschung: "Als ich angefangen habe, den Roman zu schreiben, war mir gar nicht bewusst, wie obskur dieses Thema für die meisten Amerikaner ist. Das Buch kam zwar in den USA gut an, aber für die meisten Amerikaner, auch die gebildeten, war es, als hätte ich über Timbuktu geschrieben."

Vielleicht war auch das der Grund dafür, dass sich der Roman im deutschsprachigen Raum deutlich besser verkauft hat, als in den USA.

Große elterliche Geduld

30 Jahre alt war John Wray bereits, als sein Erstlingswerk erschien. Bis dahin hat er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten. Platten hat er verkauft, als Gärtner und Kellner gearbeitet. Nirgends hielt er es länger als drei Monate aus. Auf eine rauschende Karriere als Mitgleid einer Rockband oder als Maler hoffte er vergeblich.

Für die Eltern, beide Wissenschaftler, war das keine einfache Zeit, erzählt Wray: "Die Eltern haben sehr viel Geduld gehabt, muss ich sagen. Ich bin ihnen sehr dankbar, denn sie haben sich schon Sorgen gemacht eine Zeit lang, ziemlich große Sorgen sogar. Sie haben aber nie versucht, Einfluss zu nehmen auf meine Laufbahn. Wahrscheinlich, weil ich keine hatte damals." Erst der Durchbruch als Schriftsteller 2001 hat Beständigkeit in sein Leben gebracht.

Als Nächstes eine Familien-Saga

Das nächste Projekt ist bereits in Arbeit: "Ganz etwas anderes, eine Familien-Saga, die aber nicht ganz so ernst ist, die ein bisschen spielerisch mit meiner Familiengeschichte umgeht. Mal sehen, ob mir das gelingt. Bisher waren meine Bücher eher düster und ich möchte mal etwas anderes versuchen."

Eine eigene Familie hat der inzwischen erfolgreiche Schriftsteller noch nicht. Sollte er mal Kinder haben, beteuert er, würde er sie auf alle Fälle zweisprachig erziehen: "Das war sogar ein paarmal ein Problem in meinen längeren Beziehungen. Irgendwann habe ich meine Freundinnen immer dazu gedrängt, wenigstens ein bisschen Deutsch zu lernen. Ich habe mir gedacht: Wenn wir tatsächlich ein Kind haben sollten, wäre es ja schlimm, wenn es gar kein Deutsch könnte."

Service

John Wray, "Retter der Welt, Rowohlt

John Wray, "Die rechte Hand des Schlafes", Berlin Verlag