Belgien hat derzeit EU-Vorsitz

Nach zwei Monaten noch keine Regierung

In Belgien wird heute die nächste Runde der Regierungsbildungsgespräche eingeleitet. Vor mehr als zwei Monaten wurde gewählt, doch tiefreichende Probleme gilt es im politisch kompliziert organisierten Belgien zu lösen. Parteien, die nicht unterschiedlicher ausgerichtet sein könnten sind mit dieser Problemlösung beauftragt.

König interveniert

Zwei Schritte vorwärts, eineinhalb Schritte zurück: So lassen sich die vergangenen Wochen in Sachen belgischer Regierungsbildung zusammenfassen. König Albert II. hat sich nun persönlich eingeschaltet, denn selbst die Vorgespräche zur Regierungsbildung sind arg ins Stocken geraten. Der Monarch hat den wallonischen Sozialisten Elio di Rupo zu sich bestellt und ihn nach einem mehrstündigen Gespräch überzeugt, nun doch nicht das Handtuch zu werfen und diese Vor-Gespräche weiterzuführen.

Mittagsjournal, 21.08.2010

Separatisten in Regierung

Die Lage ist verfahren, vertreten doch die stimmenstärksten Parteien völlig entgegengesetzte Interessen. Bei den Wahlen Mitte Juni wurde ja die rechtsliberale Neue Flämische Allianz von Bart de Wever insgesamt stärkste Kraft. Sie tritt offen für Flandern als eigenständigen Staat ein. Doch Bart de Wever hat in der französischsprachigen Wallonien keine Schwesterpartei, im Gegensatz zu Elio di Rupo. Der wallonische Sozialist arbeitet mit den flämischen Sozialisten zusammen und die sind gegen eine Teilung Belgiens. Sozialisten und flämische Separatisten müssen also auf einen grünen Zweig kommen.

Stärkerer Föderalismus durch Staatsreform

Für die großen, anstehenden Projekte müssen außerdem noch weitere Parteien gewonnen werden. Denn es gilt eine Staatsreform durchzubringen, die Belgien endlich politische und innerstaatliche Stabilität bringen soll. Die Staatsreform würde den Föderalismus neu definieren. Der Bundesstaat Belgien müsste noch mehr Macht an die drei Regionen abgeben. Flandern, die Wallonien und Brüssel würden selbst etwa über Sozialversicherung oder Arbeitsmarktpolitik entscheiden. Sie könnten auch teilweise Steuerhoheit bekommen. Das würde schon einiges an Konfliktpotential nehmen, könnten doch die Flamen unabhängig von französischsprachigen Wallonen - und auch umgekehrt - Entscheidungen treffen.

Sprachenstreit um Brüssel

Das führt gleich zum nächsten schwelenden Konflikt, der seit Jahren das politische Klima im Land vergiftet, und der ebenso gelöst werden muss: Der Sprachenstreit in Brüssel samt flämischer Umlandgemeinden, wo sich immer mehr Frankophone ansiedeln. Es ist der einzige Wahlbezirk, in dem sich mehrere Regionen und Sprachgebiete vermischen. Nur dort darf ein Flame auch wallonische Parteien wählen und umgekehrt. Ein politisches Pulverfass, die auch der letzte Regierung von Yves Leterme zum Verhängnis geworden ist.

Krise in Belgien stärkt EU-Ratspräsidenten

Belgien ist mit sich selbst beschäftigt - zum ungünstigsten Zeitpunkt: Denn seit Juli ist es das Ratsvorsitzland der Europäischen Union. Dass nicht die gesamte EU lahmt, liegt an Herman van Rompuy, selbst ehemaliger belgischer Regierungschef und seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon der erste ständige EU-Ratspräsident.

Die innerstaatliche Krise Belgiens macht Herman van Rompuy stark und gibt ihm mehr Handlungsspielraum. Ständig wechselnde Regierungen in den Mitgliedsstaaten und instabile Verhältnisse waren der Grund, warum der Posten des Ratspräsidenten geschaffen wurde. Die aktuelle Lage in Belgien ist der erste Beweis für die Notwendigkeit dieses Postens.