Dauerausstellung im Karl-Marx-Hof
Zeitgeschichte im Waschsalon
Der Karl-Marx-Hof in Wien war weder eine Kaserne, noch wurde er nach seinem Architekten benannt – viele Irrtümer umranken den Großbau in Döbling, einst ein Prestigeprojekt der Sozialdemokratie. Eine Ausstellung über das Rote Wien klärt auf.
8. April 2017, 21:58
Zu den kommunalen Einrichtungen des Karl-Marx-Hofes in Wien, gehören – neben Arztpraxen, Kindergärten, Bibliotheken und Beratungsstellen – auch Waschsalons. Im oberen Geschoß des Waschsalons Nr. 2 befanden sich früher, also bevor die Wohnungen mit eigenen Duschen versehen wurden, die Brausen und Wannenbäder. Im Erdgeschoß wird immer noch gewaschen. Nun wurden die Räumlichkeiten renoviert und ein kleines, liebevoll gestaltetes Museum darin untergebracht, das die Geschichte des Karl-Marx-Hofes dokumentiert und über das Rote Wien informiert.
Licht für alle
Auf dem Boden ist der Grundriss einer typischen Karl-Marx-Hof-Wohnung von etwa 40 Quadratmetern abgebildet. Anhand des Raumplans sind die Neuerungen des kommunalen Wohnbaus abzulesen, erklären die Ausstellungsmacher Lilli und Werner T. Bauer: "Erstmals gab es in Wohnungen für Arbeiter ein Vorzimmer, also einen räumlichen Puffer zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit. Ebenfalls neu ist das WC in der Wohnung. In jedem Zimmer gibt es zumindest ein Fenster, entsprechend dem Motto Licht-Luft-Sonne."
Superblock mit Geschichte
Insgesamt wurden im Roten Wien, also zwischen 1919 und 1934, über 60.000 Wohnungen errichtet, quer über die Stadt verteilt. Der Karl-Marx-Hof in Wien-Döbling, gebaut nach Entwürfen des Architekten Karl Ehn, wurde 1930 als Vorzeigeprojekt der Sozialdemokratischen Kommunalpolitik eröffnet. Am 12. Februar 1934 war der Wohnblock, als Zentrum des Widerstands gegen den Faschismus, Schauplatz heftiger Kämpfe. Über diese historischen Umstände wissen nur mehr wenige der Bewohner des Karl-Marx-Hofes Bescheid.
"Viele der Bewohner wissen recht wenig über das Rote Wien."
Die Ausstellungsmacher Werner und Lilli Bauer über den Karl-Marx-Hof und die Dauerausstellung "das rote wien" im Waschsalon 2.
Der Hampelmann aus dem Anhaltelager
Dokumentiert werden Errungenschaften und Organisationen des Roten Wien anhand von Fotos, Zeitzeugenberichten, Originaldokumenten und Gebrauchsobjekten. In einer Vitrine befindet sich Spielzeug, das dem Anhaltelager Wöllersdorf entstammt. In den sogenannten Anhaltelagern wurden im Austrofaschismus politische Gegner festgehalten, zunächst Nationalsozialisten, und später auch Kommunisten und Sozialdemokraten.
"Da die internierten Menschen nichts zu tun hatten, fingen sie an, sich die Zeit mit Bastelarbeiten zu vertreiben. Wir sehen hier diesen Blumenkorb, der ist aus Brotteig geknetet. Dieser Hampelmann zeigt eine Witzfigur der Arbeiterzeitung: Der Herr Seicherl war ein Vorgänger des Herrn Karl, also der Prototyp des rechten Kleinbürgers", erklärt Werner T. Bauer.
Achtzig Jahre ohne Einsturz
Am Samstag, den 11. September 2010, wird das achtzigjährige Bestehen des Karl-Marx-Hofes vor Ort gefeiert. Lilli und Werner T. Bauer haben zu diesem Anlass eine Zeitung produziert, die an Besucher des Museums im Waschsalon Nummer 2 ausgegeben wird. Darin nachzulesen sind Berichte über die Errichtung des Gebäudekomplexes, der seinerseits umstritten war.
Da der Baugrund, die sogenannte Hagenwiese, ein sumpfiges Gelände war, musste teilweise auf Pfeilern gebaut werden – fast wie Venedig. Die "Reichspost", die der Christlichsozialen Partei nahestand, polemisierte gegen das sozialdemokratische Großprojekt: einsturzgefährdet sei es, und ein Bauskandal sondergleichen. Groß war die Erleichterung unter den Sozialdemokraten, als der Hof 1930 eröffnet werden konnte. "Da steht er, der eingestürzte Bau!", titelte die Arbeiterzeitung.
Service
Ausstellung "das rote wien", Waschsalon Nr. 2, Karl-Marx-Hof, Halteraugasse 7, 1190 Wien. Geöffnet Donnerstag 13 bis 18 Uhr und Sonntag 12 bis 16 Uhr, sowie nach Voranmeldung
Fest 80 Jahre Karl-Marx-Hof am Samstag, 11. September 2010, 12 bis 19 Uhr, ebendort
Waschsalon - das rote wien
Web-Lexikon der Wiener Sozialdemokratie
wien.at - 80 Jahre Karl-Marx-Hof