Stück nach Film-Drehbuch

"Baby Doll" am Volkstheater

Im Wiener Volkstheater steht am 10. September 2010 die deutschsprachige Erstaufführung des Stücks "Baby Doll" nach einem Drehbuch und zwei Einaktern von Tennessee Williams auf dem Programm. 1956 von Elia Kazan verfilmt, wurde "Baby Doll" im puritanischen Amerika der 1950er Jahre heftig attackiert.

Für das Volkstheater inszeniert das Südstaatendrama rund um die kindlich naive Hauptfigur zwischen zwei rivalisierenden Männern der deutsche Regisseur Nils-Peter Rudolph mit Katharina Strasser in der Titelrolle.

Kulturjournal, 09.09.2010

Macht, Gewalt, sexuelle Obsessionen

Baby Doll, die jungfräuliche Unschuld vom Lande, ist verheiratet mit Archie Lee, dargestellt von Rainer Frieb. Die Nerven des bankrotten Baumwollfarmers liegen blank, denn laut Vertrag darf die Ehe erst vollzogen werden, wenn Baby Doll 20 ist. Und das auch nur, wenn Archie Lee in der Lage ist, sie gut zu versorgen.

Und da ist noch Silva Vacarro, der erfolgreiche sizilianische Baumwollindustrielle, dessen Fabrik angezündet wird, und der auf Rache aus ist. Er verdächtigt Archie Lee - die naive Baby Doll benützt er, um die Wahrheit herauszufinden. Macht, Gewalt, sexuelle Obsessionen und Rache, Vendetta - all das in einem Bühnenbild, das sofort die schwüle Hitze im Alten Süden assoziieren lässt. Ventilatoren an der Decke, ein alter Ami-Schlitten, ein Schaukelstuhl, ein Kinderbett, in dem die laszive Jungfrau Baby Doll schläft.

Regisseur Niels-Peter Rudolph lässt sie dennoch immer wieder sehr stark auftreten, oft in überraschenden Momenten wandelt sich das naive Dummchen zur knallharten Chefin.

Baby Dolls zahlreiche Facetten

Für jeden neuen Szenenauftritt muss sich Katharina Strasser umziehen. Das Spektrum reicht dabei vom Tutu, über das Minikleid und Pettycoat bis hin zum hautengen Abendkleid. Und jedes Mal spielt sie auch eine andere Facette von Baby Doll aus. Einmal mehr kann man Strasser, die zuletzt etwa als Julie in "Liliom" brillierte, als starke Frau erleben, die die Männer um sich schlecht aussehen lässt.

Nicht überwundener Rassismus

So ganz nebenbei wird in dieser Dreiecksgeschichte, in der es letztlich nur Verliere gibt, neben der häuslichen Gewalt auch der bis heute nicht überwundene Rassismus in den Südstaaten dargestellt. Die Geschichte von zwei Weißen, der eine versoffen und eifersüchtig, der andere manisch rachsüchtig, die ihre Baumwollnigger, wie sie sie nennen, rücksichtslos antreiben.

Es ist nicht die erste Filmadaptierung in den letzten Jahren - man erinnere sich etwa an "The Purple Rose of Cairo" -, die da im Volkstheater auf die Bühne gebracht wird. Angesichts des geringen Bekanntheitsgrades könnte Katharina Strasser diesmal, anders als etwa im "Blauen Engel", der ständige Vergleich mit dem filmischen Vorläufer erspart bleiben.

Textfassung: Ruth Halle

Service

Tennessee Williams, "Baby Doll", ab 10. September 2010, Volkstheater Wien,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

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