Ergebnis wird international begrüßt

Klare Mehrheit für Verfassungsreform

Die Wähler in der Türkei haben am Sonntag die weitreichendste Verfassungsreform in ihrem Land seit Jahrzehnten gebilligt. Etwa 58 Prozent der Wähler sagten Ja zu dem von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vorlegten Änderungspaket. Das Ergebnis ist international begrüßt worden.

Morgenjournal, 13.09.2010

Obama und EU

US-Präsident Barack Obama sagte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bei einem Telefongespräch, die Beteiligung an der Abstimmung sei ein Zeichen für die Lebendigkeit der türkischen Demokratie. Auch die Europäische Union begrüßte die Annahme von Verfassungsänderungen, forderte zugleich jedoch weitreichendere Reformen. Die geplanten Neuerungen seien "ein Schritt in die richtige Richtung", hieß es in einer Erklärung von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle. Die tatsächliche Bedeutung für die Lebenswirklichkeit in der Türkei werde von der Umsetzung der Verfassungsänderungen abhängen.

Spindelegger begrüßt Ergebnis

Die Entscheidung in der Türkei sei "eine Europäisierung, die wir durchaus begrüßen können", so Spindelegger. Fortschritte im Annäherungsprozess mit der EU könne es aber nur geben, wenn die Türkei nicht akzeptiere, dass Zypern ein Land der Europäischen Union sei.

"Begrüßenswerte Europäisierung"

Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) im Mittagsjournal-Interview vom 13.9.2010 mit

Deutliche Mehrheit

Etwa 58 Prozent der Wähler hätten für das Paket aus 26 Änderungen gestimmt, sagte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag vor jubelnden Anhängern. Verlierer seien diejenigen, die Eingriffe des Militärs in die Demokratie unterstützten.

"Demokratie ist Gewinnerin"

Erdogan sagte, sein Land habe einen historischen Schritt gemacht, dem weitere Reformen folgen würden. "Unsere Demokratie ist nun stärker geworden. Die Demokratie ist der Gewinner." Die Wahlbeteiligung betrug mehr als 77 Prozent. Devlet Bahceli, der Vorsitzende der rechtsextremen Oppositionspartei MHP, forderte Erdogan zu Neuwahlen auf. Er warf der Regierung vor, das Referendum mit Drohungen und Bestechung manipuliert zu haben.

Mehr Rechte für Bürger und Parlament

Erdogan will die Macht des Parlamentes stärken und verspricht mehr Demokratie und Freiheit. So soll nun der Schutz persönlicher Daten der Bürger verbessert werden. Der Gleichheitsgrundsatz wurde ergänzt, so dass staatliche Vorteile für benachteiligte Bevölkerungsgruppen ausdrücklich möglich werden. Dafür will die Regierung Befugnisse der Militärjustiz einschränken und mehr Einfluss des Parlaments bei der Ernennung höchster Richter sichern. Kritiker aus der Opposition werfen Erdogan und seiner AKP vor, sie wollten so die türkische Justiz unter Kontrolle bringen.

Heftige Auseinandersetzungen

Erdogans AKP und die oppositionelle Republikanische Volkspartei CHP, die sich als Hüterin des säkularen Erbes von Republiksgründer Mustafa Kemal Atatürk versteht, hatten sich in den vergangenen Wochen einen heftigen politischen Schlagabtausch geliefert.

Zusammenstöße in Kurdengebieten

In den von Kurden bewohnten Provinzen im Osten der Türkei war der Anteil abgegebener Ja-Stimmen besonders groß. Allerdings war die Wahlbeteiligung dort nach Boykottaufrufen kurdischer Parteien teilweise auch besonders gering, was das Meinungsbild verzerrte. In den Kurdengebieten gab es am Sonntag vereinzelt Zusammenstöße. So attackierten Demonstranten, die Slogans der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK riefen, ein Wahllokal in der Provinz Mersin angegriffen und warfen zwei Brandsätze.