Das Pariser Kulturereignis des Herbstes

Monet-Ausstellung im Grand Palais

Im Grand Palais in Paris hat die größte Monet Retrospektive seit 30 Jahren eröffnet. Ca. 200 Werke aus der Schaffenszeit Monets sind ausgestellt. 50 kommen aus dem Pariser Orsay Museum, die anderen aus Museen und Privatsammlungen in der ganzen Welt.

Eine Retrospektive, angelegt wie ein Spaziergang durch die Welten des Claude Monet - die Seine Landschaften, darunter kaum je gesehene Winterstimmungen, umwerfende Variationen der Steilküsten der Normandie und Impressionen der Badeorte und des aufkommenden Tourismus, aber nicht nur die Landschaft, auch die beginnende Industrialisierung ist Thema.

Drei beeindruckende Versionen des Saint Lazare Bahnhofs, Zugbrücken in den Pariser Vororten, verrauchte Hafenatmosphäre, daneben fast unbekannt: Monets Mittelmeerlandschaften und zum Teil sehr persönliche Porträts - bis hin zu seiner Frau Camille auf dem Sterbebett - ein einziger, weisser Schleier, die Gesichtszüge nur vage angedeutet.

Kultur aktuell, 22.09. 2010

Werke aus aller Welt

Diese Retrospektive kann thematisch so dicht und abgerundet nur sein, weil man es geschafft hat, aus rund zwei Dutzend amerikanischen Museen, wo ungeahnte Monet Schätze hängen, die Werke zusammen zu tragen, die amerikanische Sammler bereits im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts massiv gekauft hatten.

Guy Cogeval, Direktor des Orsay Museums: "Die Terrasse von Saint Adresse zum Beispiel, eines der berühmtesten Gemälde von Monet, ist im Metropolitain in New York und auf einer Liste von 25 Gemälden, die nicht transportiert werden dürfen. Wir haben lange verhandelt und es gegen bedeutende Leihgaben aus dem Orsay Museum für spätere Ausstellungen erhalten. Es gibt Werke, die man nie gesehen hat. Etwa der Vater Monets , Zeitung lesend im Garten, ist eine Premiere, ein Gemälde das man sogar als Reproduktion seit langem nicht zu Gesicht bekommen hat."

Im letzten Moment hat man aus dem Puschkin Museum im mittelgrossen Format auch noch die einzige vollständige Version des "Dejeuners sur l’Herbe" erhalten - ihr gegenüber hängen zwei erhaltenen Fragmente des nie vollendeten Monumentalwerks.

Der Wendepunkt im Leben Monets

Die Ausstellung betrachtet das Jahr 1890, Monet war damals 50, als Wendepunkt im Lebenswerks des Künstlers, als er sich in Giverny niedergelassen hatte, seinen berühmten Garten anlegte und seine grossen Serien begann, einzelne Motive, wie besessen, immer wieder zu verschiedensten Jahreszeiten und in unterschiedlichster Atmosphäre bearbeitete, auf der endlosen Suche nach dem richtigen Licht.

Der ganze zweite Teil der Retrospektive wird von diesen Serien beherrscht: die der Strohschober, der Pappeln, der Kathedrale von Rouen, die Eindrücke der Themse oder von Venedig, welches Monet erst 68 jährig entdeckte.

"Die 1890-er Jahre sind eine Schwelle. Der Impressionismus ist schon auf dem absteigen Ast, die neue Generation, Gauguin und vor allem Seurrat verwerfen die Lektion des Impressionismus und plädieren für eine wesentlich wissenschaftlichere, intellektuellere Malerei. Es geht nicht mehr darum, den Eindruck eines Augenblicks festzuhalten. Darauf reagiert Monet, indem er sich erneuert und mit den ersten Serien beginnt", erzählt Guy Cogeval.

Eine begeisternde Retrospektive mit Konkurrenz

Der Spaziergang durch Monets Oeuvre endet mit einem dutzend Arbeiten, die in Bezug zum berühmten Seerosenzyklus stehen, darunter auch drei erst 1922 entstandene, weitgehend unbekannte, farbgewaltige Trauerweiden, die , noch deutlicher als die Nymphea , bereits den Weg zur Abstraktion weisen.

Eine wahrlich begeisternde, ergreifende Retrospektive, die allein schon jeden Kunstfreund mehr als zufrieden stellen kann. Doch ausgerechnet zur gleichen Zeit bietet das Pariser Marmotan Museum, das jeden Beitrag zur Monet - Retrospektive verweigert hat, ab 7. Oktober erstmals überhaupt die Möglichkeit, die gesamte Monet Sammlung des Museums zu sehen, die reichste der Welt, wie es in der Ankündigung stolz heißt.

Ein nicht sonderlich sinnvolles Monet Überangebot in Paris, zustande gekommen durch Feindseligkeiten und Eifersüchteleien unter Ausstellungsmachern.

Textfassung: Walter Gerischer-Landrock

Service

Die Monet-Retrospektive im Grand Palais in Paris ist bis zum 24. Januar 2011 geöffnet.

Monet-Retrospektive