Lara Almarcegui zerlegt das Gebäude
Die Secession untersuchen
Der Hauptraum der Secession ist der erste "white cube" der Ausstellungsgeschichte und regte bereits viele Künstler zur Auseinandersetzung an. Die spanische Künstlerin Lara Almarcegui widmet sich in ihrer aktuellen Einzelausstellung dem Gebäude und unterzieht es einer profunden Materialanalyse.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 23.09.2010
Den Parkettboden abtragen
Lara Almarcegui hat die Secession in ihre Bestandteile zerlegt. Den Parkettboden des Graphischen Kabinetts hat sie vorsichtig entfernt, um ihn sodann wieder zusammenzufügen - ein sauberer Eingriff, der keine Spuren hinterlassen hat.
Das Publikum, dem die Aktion "Abtragen des Parkettbodens" nur als Video gezeigt wird, sei zu spät dran, sagt Lara Almarcegui, so wie es meistens erst dann eintrifft, wenn die Arbeit an einem Kunstwerk bereits geleistet wurde.
Die sezierte Secession
Wem diese Aktion sinnlos erscheint, der wird Lara Almarceguis Motivation besser anhand ihrer raumfüllenden Installation im Hauptraum verstehen. Die Untersuchung des Gebäudes, seiner Baumaterialien, auch dessen, was unter den Böden und hinter den Wänden liegt, manifestiert sich hier in Form von Bauschutt.
Glas, Beton, Stahl, Styropor, Ziegel und der Bodenbelag Terrazzo sind - fein zermahlen - zu Haufen aufgetürmt. Hier sieht man genau das, was von der Secession übrig bliebe, würde das geschichtsträchtige Gebäude abtragen und der Schutt recycled werden.
Ein Freibrief zum Zerstören und Renovieren
Mit dem tatsächlich bevorstehenden Abriss eines Gebäudes hatte sich die Künstlerin auch im spanischen San Sebastian beschäftigt. Dort wurde sie eingeladen an einer Ausstellung in einer Markthalle teilzunehmen, die demnächst einem Neubau weichen sollte - ein Freibrief für die Künstler, zerstörerisch und brutal mit dem Gebäude umzugehen, erinnert sich Almarcegui.
Nicht nur wegen der Architektur, sondern auch wegen ihrer Funktion als sozialer Treffpunkt war die Künstlerin über den kommenden Abriss der Markthalle schockiert. Als ihren Ausstellungsbeitrag machte Lara Almarcegui daher genau das Gegenteil: sie renovierte die Markthalle, strich die Fassade und besserte Bauschäden aus, so viel sich bis zum Abbruch, der nicht verhindert werden konnte, ausging.
"Die Händler hatten der Stadtverwaltung, der die Markthalle gehörte, zuvor angeboten, das Gebäude selbst zu renovieren - aber die Stadt verweigerte die Genehmigung dafür. Das wirft natürlich die Frage auf, wieso ich als Künstlerin etwas machen darf, was den Bürgern versagt bleibt, und in welche Position mich das bringt", erzählt die Künstlerin.
Jedenfalls hätte die Intervention gewirkt - die Leute begannen zu diskutieren und die Vorgangsweise der Stadt in Frage zu stellen
Spielen auf urbanen Brachen
Lara Almarcegui beschäftigt sich mit der Vergänglichkeit von Räumen, ob Architektur oder Natur. Dazu gehören städtische Brachflächen, also jene urbanen Resträume, die als Bauland uninteressant sind oder die bis zu ihrer Bebauung nicht gepflegt werden. Von Verschönerungsmaßnahmen verschont wuchert dort das Gestrüpp.
Für Lara Almarcegui sind mit Brennesselstauden und entsorgtem Sperrgut Kindheitserinnerungen verbunden: Brachflächen als Spielplatz zu benützen sei vielleicht eine Eigenheit ihrer Generation, meint sie.
Sie erzählt: " Unsere Eltern zogen in den 1970er Jahren an den Stadtrand, weil es günstiger war und die Lebensqualität höher - das glaubte man zumindest. Wir wuchsen also inmitten von Brachflächen auf."
Diese Flächen seien heute Stadtentwicklungsgebiete, sie verschwinden und es täte ihr leid um sie. Sie böten die Freiheit, eigene Räume zu erfinden, anstatt von Architekten und Designern entwickelten Lösungen zu übernehmen."
Guide zum Brachland
Besonders schöne Brachflächen hat Lara Almarcegui auf einem der größten Stadtentwicklungsgebiete in Wien entdeckt, auf dem Nordbahnhof. Für ihre Ausstellung in der Secession hat die Künstlerin einen Guide zu den Brachen des Nordbahnhofs drucken lassen, der zur freien Entnahme aufliegt.
Auch in Städten wie Rotterdam, Bilbao, São Paulo oder Lissabon hat Almarcegui Brachflächen zum Inhalt ihrer künstlerischen Projekte gemacht und diese teilweise sogar erhalten.
Service
Secession - Ausstellung Lara Almarcegui