ORF: Filmmaterial herausgeben, Journalisten einvernommen
Redakteure sehen Pressefreiheit gefährdet
Zwei Entscheidungen der Justiz sorgen für Debatten über die Pressefreiheit in Österreich. Der ORF muss in der sogenannten Skinhead-Affäre sämtliche Filmaufnahmen an die Staatsanwaltschaft herauszugeben. Zum anderen sind drei Journalisten der Nachrichtenmagazine Profil und News in der Causa Hypo Alpe-Adria einvernommen worden. Journalisten sehen darin einen Anschlag auf Pressefreiheit und Redaktionsgeheimnis.
8. April 2017, 21:58
ORF-Reportage über Neonazis
Fall eins bezieht sich auf eine Reportage der Fernsehsendung am Schauplatz. Im Zuge der Filmaufnahmen hatte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache den Redakteur beschuldigt, bei einer Wahlveranstaltung zwei Skinheads zu Nazi-Parolen angestiftet zu haben. Das hat der ORF stets dementierte und auch auf den Bändern fanden sich keine Parolen. Die Herausgabe weiterer Filmaufnahmen, die über Monate aufgenommen wurden, verweigerte der ORF der Staatsanwaltschaft Wien mit Hinweis auf das Redaktionsgeheimnis.
Abendjournal, 23.09.2010
ORF muss Rohmaterial herausgeben
In ihm ist laut Mediengesetz geregelt, dass Journalisten in einem Strafverfahren nicht zur Herausgabe von Bild- und Tonträgern verpflichtet werden dürfen und dass Redakteure das Recht haben, Aussagen über Quellen und Informanten zu verweigern. Das Oberlandesgericht Wien hat nun aber entschieden, dass der ORF sehr wohl sämtliches Rohmaterial herausgeben muss. Das Oberlandesgericht begründet die Entscheidung damit, dass auf öffentlichen Plätzen Bild- und Tonaufnahmen mit verbotsgesetzrelevanten Handlungen gemacht worden sein sollen, die nicht dem Redaktionsgeheimnis unterliegen.
ORF will Entscheidung bekämpfen
Der ORF wird die Bänder nun herausgeben, weil man halte sich an die Rechtsnormen, so ORF-Sprecher Pius Strobl. Gleichzeitig werde man die Entscheidung mit allen rechtlichen Mitteln bekämpfen. Denn die Entscheidung sei nicht zulässig und stelle einen Eingriff in das Redaktionsgeheimnis dar.
ORF-Redakteursräte entrüstet
ORF-Redakteursrat Fritz Wendl zeigt sich empört und meint, die Entscheidung des Oberlandesgerichts sei mit in demokratischen Gesellschaften üblichen Standards der Medienfreiheit unvereinbar. Gelichzeitig äußert er auch scharfe Kritik an der ORF-Geschäftsführung.
Experte: "Bedenklicher Weg der Justiz"
Zweifel äußert auch der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer. Die Anordnung des Gerichts auf Herausgabe der Bänder sei- so wörtlich "nicht nachvollziehbar". Birklbauer: "Der Wortlaut der Strafprozessordnung gibt keinen Hinweis auf eines so enge Interpretation. Ich halte es aus der Sicht des Redaktionsgeheimnisses für einen bedenklichen Weg, den die Justiz hier einschlägt." Der Strafrechtler meint, nach dem Gesetzeswortlaut sei alles geschützt, was einem Redakteur mitgeteilt wird - egal wie viele Personen es hören konnten.
Auf Wunsch der deutschen Justiz einvernommen
Fall zwei bezieht sich auf die Causa Hypo-Alpe Adria: Die Staatsanwaltschaft München hat ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Journalisten des Nachrichtenmagazins Profils und gegen einen Journalisten des Nachrichtenmagazins News eingeleitet. Der Grund: Die Journalisten hätten in ihren Berichten aus Gerichtsdossiers zitiert, was in Deutschland nicht erlaubt ist. In Österreich ist das allerdings nicht strafbar, dennoch hat die Staatsanwaltschaft Wien ein Rechtshilfeansuchen der bayerischen Justiz gebilligt und die Journalisten einvernommen.
Angriff auf Pressefreiheit
Der Präsident der Journalistengewerkschaft Franz C. Bauer sieht darin einen beispiellosen Anschlag auf die Pressefreiheit. Österreichische Beamte versuchten offenbar willfährig, ausländische Gesetze zu vollziehen und dabei die Meinungsfreiheit in Österreich einzuschränken. Am Nachmittag dann die Replik der Oberstaatsanwaltschaft Wien: Die Beschuldigteneinvernahme der Journalisten sei ein Fehler gewesen und rechtlich nicht gedeckt.
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