Kaum politische Zusammenarbeit der Volksgruppen

Wahlen in Bosnien und Herzegowina

In Bosnien und Herzegowina finden am Sonntag in einer Woche Wahlen statt. Gewählt werden sowohl das gesamtstaatliche Parlament, als auch die Parlamente der beiden Teilstaaten. Seit vier Jahren herrscht politischer Stillstand, da die Zusammenarbeit der verschiedenen Volksgruppen nicht funktioniert.

Mittagsjournal, 24.09.2010

Keine gesamtstaatliche Identität

Eine Kundgebung von Mladen Ivanic in der Stadt Pale nur wenige Kilometer entfernt von der Hauptstadt Sarajewo. Die Veranstaltung beginnt mit der serbischen und nicht der bosnischen Hymne und einem Totengedenken für die gefallenen Serben des Bosnien-Krieges. Ivanic ist Vorsitzender der PDP, der Partei für den Demokratischen Fortschritt. Der ehemalige bosnische Außenminister hat ein Wahlbündnis mit der SDS, der Partei des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Radovan Karadzic gebildet. So abschreckend das auf den ersten Blick wirken mag, so grundvernünftig wirkt der Politiker Mladan Ivanic.

Uneinigkeit unter den Volksgruppen

Er ist für eine Politik der kleinen Schritte, die Reform der Verfassung des komplizierten Staatswesens will er daher nach der Wahl zunächst beiseitelassen. "Wenn dieses Thema angeschnitten wird, hat man sofort drei Bilder von Bosnien, ein bosniakisches, ein serbisches und ein kroatisches, die sehr unterschiedlich ist. Die Bosniaken wollen eine Regierung, einen Präsidenten und ein Parlament. Die Serben wollen nichts auf der Ebene des Gesamtstaates, und die Kroaten wollen etwas, wissen aber noch immer nicht was, sind aber unzufrieden mit dem, was passiert. Unter diesen Bedingungen ist eine Übereinstimmung unmöglich. Klüger ist es, die bestehenden Mechanismen zu verwenden, und laufende praktische Probleme zu lösen, denn das ist möglich."

Konflikt als Mittel zum Machterhalt

Mladan Ivanic kandidiert für den serbischen Sitz im Staatspräsidium, in dem auch noch je ein Kroate und Bosniake präsent sind. Derzeitiger serbischer Vertreter ist Nebojsa Radmanovic, ein Mitglied der regierenden "Unabhängigen Sozialdemokraten" unter Ministerpräsident Milorad Dodik. Im Kampf gegen Radmanovic gilt Ivanic als nicht chancenlos. Er will die Stagnation in Bosnien durchbrechen, für die die Antipoden Milorad Dodik und Harris Silajdzic, der bosniakische Vertreter im Staatspräsidium, verantwortlich sind. "Der amtierenden politischen Elite kommt nicht der Weg Richtung EU gelegen, sondern der Konflikt. Europa hat sie dabei überhaupt nicht interessiert. Der Konflikt diente als Mittel zum Machterhalt. Daher wurden diese vier Jahre verloren. Daher hoffe ich, dass die Wahlen zu einem Wechsel führen und Personen kommen, die sich mit konkreten Fragen befassen damit die Bürger besser leben.", sagt Ivanic.

"Hoher Repräsentant unnötig"

So klar Ivanic für die Wahrung der starken Autonomie des serbischen Teilstaates eintritt, so pragmatisch sieht er andererseits die Präsenz des OHR, des Büros des Hohen Internationalen Repräsentanten. Diese Funktion hat derzeit der Österreicher Valentin Inzko inne. In Bosnien und innerhalb der EU ist umstritten, wann und ob das OHR geschlossen werden soll. Dessen Repräsentant verfügt theoretisch über enorme Vollmachten. Dazu sagt Mladan Ivanic: "Ein derartiges OHR kann auch ewig bleiben, obwohl ich denke, dass das ein teures Vergnügen für die Steuerzahler im Ausland ist. Das ist ein OHR das nichts macht, denn es gibt einfach keine Einigkeit unter den Ländern im Friedensimplementierungsrat, was geschehen soll. Persönlich glaube ich, dass man das OHR schon vor etwa vier, fünf Jahren hätte schließen sollen. Das hätte die heimischen Politiker gezwungen, schneller und mit viel mehr Mut selbst Kompromisse zu finden."
Die Friedenstruppe EUFOR sollte dagegen auf jeden Fall noch weiter im Land bleiben, und zwar als Symbol dafür dass Europa Bosnien und Herzegowina noch nicht vergessen hat.