Michelangelo in der Albertina

Zeichnungen eines Genies

Ab 7. Oktober 2010 zeigt die Wiener Albertina einen Giganten der Kunstgeschichte: Michelangelo. Seit über zwanzig Jahre gab es keine internationale Ausstellung dieses berühmten Renaissance-Künstlers mehr in dieser Vollkommenheit, wobei es natürlich vorrangig um das zeichnerische Werk geht.

Kulturjournal, 06.10.2010

120 kostbare Blätter des Universalgenies Michelangelo kann man jetzt in der Albertina bewundern. Nur acht davon, allerdings besonders hochwertige, stammen aus der hauseigenen Sammlung, die anderen kommen aus den wichtigsten Kunstsammlungen der Welt: von den Uffizien und dem Louvre bis hin zum Metropolitan Museum in New York sowie aus Privatbesitz.

Der Wert dieser - man könnte fast sagen - Reliquien der europäischen Kunst ist unermesslich und nicht in Zahlen zu veranschlagen. Die Skizzen und Studien werden anschaulich präsentiert, von Skulpturen, Gemälden und Videoscreens flankiert, und sie zeigen den Weg dieses Meisters, der jahrhundertelang als der Künstler schlechthin galt.

Kultur aktuell, 06.10.2010

Mit der Tradition gebrochen

Der Bogen spanne sich von der frühest erhaltenen Zeichnung von 1492 des 16-, 17-jährigen Künstlers bis ganz zum Ende des Künstlers, so Kurator und Michelangelo-Experte Achim Gnann, "wo er sich mit den Kreuzesdarstellungen und ganz intensiv mit dem Tod beschäftigt".

Warum ist die Bedeutung Michelangelos für die Kunstgeschichte eigentlich so hoch einzuschätzen? Er war ein Künstler, der fest mit der Tradition verwurzelt war, aber der radikal mit der Tradition gebrochen hab, der unglaublich Neues geschaffen habe, so Gnann weiter, der mit seinem "David" die erste Skulptur der Hochrenaissance geschaffen hatte und mit seinen Sixtinischen Deckenfresken Einflüsse für den Manierismus brachte, "und dessen Entwürfe für die Peterskuppel in Rom an der Schwelle des Barock stehen".

Katalog mit 400 Seiten

Ob es sich um Bewegungsstudien männlicher Akte, um Vorzeichnungen zu den Mediceer-Gräbern oder zu den revolutionären Fresken in der Sixtinischen Kapelle in Rom handelt, ob es um die Zusammenarbeit mit seinem Lehrer Domenico Ghirlandaio oder um die nicht unkomplizierte Beziehung zu seinem Schüler Sebastiano del Piombo geht, man kann vieles in der klar gegliederten und übersichtlich beschrifteten Ausstellung nachvollziehen oder später im über 400 Seiten starken Katalogband nachlesen. Abertina-Chef Klaus Albrecht Schröder gibt Beispiele:

"Zornesausbrüche gegenüber den höchsten Fürsten oder Päpsten seiner Zeit, denen er auf gleicher Augenhöhe begegnet, oder aber auch die Frage, ob Michelangelo, der jedenfalls nicht verheiratet war, möglicherweise homosexuell war. Das wissen wir nicht. Verbürgt ist eine unglaublich große Leidenschaft, die auch eine geistige Leidenschaft war, und Verbindung zu Tommaso dei Cavalieri, einem 17-jährigen gebildeten jungen Mann, dem er die schönsten Zeichnungen und fertige Bilder vermacht und geschenkt hat und dem er herrliche Liebessonette gewidmet hat. Diese Blätter kamen nach Wien nur durch die persönliche Genehmigung der englischen Queen, die diesen Schatz in Windsor Castle hütet."

Klaus Albrecht Schröder ist wieder einmal ein Coup gelungen: Er kann gleichzeitig zwei durchaus verwandte Universalgenies in seinem Haus zeigen - Picasso und Michelangelo - und Verbindungen zwischen den beiden Künstlern herzustellen ist durchaus lohnend.

Textfassung: Ruth Halle

Service

Ausstellung "Michelangelo - Zeichnungen eines Genies", 8. Oktober 2010 bis 9. Jänner 2011,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

Albertina