Sehen und gesehen werden
Frieze Art Fair London 2010
Im Londoner Regent's Pak herrscht wieder großes Menschengetummel, es ist Frieze-Art-Fair-Zeit. Wie jeden Oktober seit 2003 ziehen Prominente, Schaulustige und Kunstbegeisterte in Massen zur Frieze; sie hat sich als eine der wichtigsten Messen für zeitgenössische Kunst etabliert. Mehr als 170 Galerien aus aller Welt zeigen 2000 Werke.
8. April 2017, 21:58
Kultur aktuell, 16.10.2010
Die Masse an Werken und Besuchern macht es unmöglich, sich einem Kunstwerk so ausführlich wie in einer kleinen Galerie zu widmen. Es geht hier nicht ums Verweilen, sondern ums Sehen und Gesehen-Werden. Die Frieze hat den Glamour-Faktor, der nicht nur Prominenz anzieht, sondern auch Sammler und vor allem Kuratoren. Das Motto der Messe dieses Jahr lautet: Je größer desto besser.
Dem folgt beispielsweise der spektakuläre Neonröhrenbogen "Butterfly" des französischen Künstlers Daniel Firman, das wohl beliebteste Werk in diesem Jahr. Die neue Kunstgeneration ist aber woanders zu finden, meint die Wiener Galeristin Ursula Krinzinger.
Entwicklungsarbeit in Osteuropa
Auf die Frage, was den rumänischen Kunstmarkt in Zukunft bewegen wird, reagiert Galeristin Andreiana Mihail mit einem bitteren Lacher, die Szene in ihrer Heimat sei schon tot bevor sie überhaupt geboren wurde, sie leiste mühselige Entwicklungsarbeit in Bucharest: "Ich habe in den vergangenen vier Jahren ein einziges Werk verkauft, jetzt wissen Sie, was bei uns läuft."
Der russische Kunstmarkt boomt zwar, aber die zeitgenössischen Werke werden von den etablierten Sammlern immer noch wie Stiefkinder behandelt, sagt Nadia Totskaya von der Moskauer Galerie Regina: "Es kommen aber neue Generationen, die offener sind, sie interessieren sich für Installationen und interaktive Kunst."
Schrittmacher der europäischen Kunst
Die Frieze zieht auch ein sehr junges Publikum an, von Maturanten über Kunststudenten, die auf der Suche nach Inspirationen sind. Im Zeitalter von IPhone und IPad - die Frieze gibt es jetzt auch als Applikation für diese Geräte - sehen aber viele wieder eine Trendumkehr: "Ich habe hier sehr viele alte Projektoren gesehen, die Bilder an die Wand werfen, auch Dia-Projektoren ich finde das sehr interessant, ich denke wir entwickeln uns wieder von 3D weg." Die Verbindung von alt und neu fasziniert viele, Vintage ist angesagt.
Immer erfrischend auf der Frieze sind die kommissionierten Projekte. Die schwedische Künstlerin Annika Ström beschäftigt sich mit der männlichen Dominanz in der Kunst und der Verlegenheit, die sie spürt, wenn sie ihre Werke präsentiert. Zehn Männer in weißen Hemden symbolisieren ihren Gemütszustand, sie tauchen überall auf der Messe auf: "Wir versuchen verletzlich auszusehen und wenn uns Menschen ansprechen erklären wir, dass wir Annikas Verlegenheit sind, wir stellen das ganz individuell dar. Wir wollen Aufmerksamkeit erregen, das ist uns aber gleichzeitig peinlich."
Die Frieze hat sich seit ihrer Gründung zum Schrittmacher der europäischen Kunst etabliert, aber wer Hintersinniges und Schräges sucht, muss weiterziehen, hier herrscht das Heute, das sich ein bisschen wie das Hochgefühl von gestern anfühlt.