Vielseitiger Künstler aus Südafrika

William Kentridge in der Albertina

Die Wiener Albertina zeigt eine große Retrospektive des südafrikanischen Künstlers William Kentridge. Neben Werken aus den letzten zehn Jahren werden auch die Filme präsentiert, die Kentridge in den 90er Jahren berühmt gemacht haben.

Kultur aktuell, 28.10.2010

Was hat die "Zauberflöte" von Mozart mit Südafrika heute zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Aber der Johannesburger Künstler William Kentridge legt schlüssige Verbindungslinien zwischen derart entfernten Themen. Spätestens seit seiner Documenta-Teilnahme spielt der 55-jährige Südafrikaner in der ersten Liga der weltweit gefeierten Künstler. Eine große Retrospektive beweist das von Neuem.

Nach Museen in den USA und Paris ist die Schau jetzt an der Wiener Albertina zu sehen. Sie passt dort auch hin, weil das Medium Zeichnung im Werk von Kentridge eine Hauptrolle spielt.

Kohlezeichnungen und Filme

Man kann stundenlang versinken im Universum des Zeichners, Animationsfilmers, Regisseurs und Performers William Kentridge. Kohlezeichnungen, oder eher Kohlemalereien, teils im Format großer Ölbilder, hängen an der Wand. Und auf Filmleinwänden kommen solche Bilder ins Laufen. Neben Werken aus den letzten zehn Jahren werden auch die Filme präsentiert, die Kentridge in den 90er Jahren berühmt gemacht haben.

Jeder Frame ist eine Kohlezeichnung. Um die Zeichnungen zu animieren, radierte er jeweils einen Zustand unvollständig aus und zeichnete die nächste Bewegungshase darüber. So entstanden in monatelanger Kleinarbeit Streifen von weniger als zehn Minuten Dauer, die sich vor den Zuschauern selbst zu zeichnen scheinen.

Kritiker der Apartheid

Es regnet Knochen und Körperteile; ein Kamerastativ schwenkt die ekelhaft spitzigen Beine, wird zum reißenden Köter, der Menschen foltert. Köpfe wachsen aus Hochhäusern - und so geht das ständig, Verwandlung um Verwandlung.

Diese Filme rekapitulierten mit künstlerischen Mitteln die südafrikanische Befindlichkeit in der letzten Phase der Apartheid - und wie Kentridge, ein weißer jüdischer Apartheidskritiker, sich darin verortete.

Opernstoffe aufgegriffen

So lernte man William Kentridge in den 90ern kennen. Umso erstaunlicher, wie er seither das Spektrum seiner Themen und Formen erweitert hat. Wenn er zum Beispiel Opernstoffe wie "Die Nase" von Schostakowisch aufgreift oder Mozarts "Die Zauberflöte", dann sehr wohl auch mit Blick auf die afrikanische Realität heute.

Kentridge hat mehrfach Opern inszeniert und sie mit projizierten Zeichnungen und Filmen ausgestattet. An der Zauberflöte interessierte ihn die Figur des Sarastro. Der Hohepriester Sarastro verkörpere auch die abgründige Seite der Aufklärung - nämlich das Monopol auf die Weisheit, auf absolut gesetzte Wahrheiten und die Macht, diese den Untertanen aufzuzwingen.

Weisheit und Gewalt

Heute wissen wir, wie schrecklich es sein kann, wenn Menschen unter dieser Kombination aus Weisheit und Gewalt zu leiden haben. Wie etwa die kolonisierten Völker in Afrika.

Und bis vor kurzem sei uns als absolute Wahrheit das Dogma von den Freien Märkten verkauft worden - durch deren Hohepriester, die Hedgefondsmanager: "Visionärere Sichtweisen, sozialistische Impulse, galten als historische Relikte. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass dies keineswegs der Weisheit letzter Schluss war. Wir müssen neu verstehen lernen, wie die Welt funktioniert."

Guckkasten und Performance

Anknüpfend an die "Zauberflöte"-Inszenierung hat Kentridge Installationen gebaut - wie ein großes Modell eines barocken Theaterguckkastens, in dem Drahtfiguren und Gegenstände, wie etwa ein Zirkel, spazieren fahren.

In neueren Filmen werden Collagen aus Zeitungspapier animiert oder aus schwarzem Papier gerissene Figuren, oder geometrische Formen aus Malevitsch-Bildern. Und der Künstler baut sich selbst als Performer ein - in einer Mehrkanal-Videoinstallation zum klassischen Thema "Der Künstler im Atelier".

Ob eine Kohlezeichnung aus einer Espressotasse rinnt oder der gefilmte William Kentridge sich in dem Selbstporträt auflöst, das er grade anfertigt: Auch was den Bildwitz betrifft spielt diese Ausstellung alle Stücke.

Service

Ausstellung William Kentridge, 29. Oktober 2010 bis 30. Jänner 2011, Albertina,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

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