Premiere im Volkstheater

Gianina Carbunariu und ihr "Spargel"

Sie ist eine der ganz erfolgreichen ihrer Generation: die 33-jährige rumänische Autorin Gianina Carbunariu. Sie zählt schon jetzt zu den renommiertesten Dramatikerinnen ihres Landes, und genießt mittlerweile auch internationales Ansehen. Besonders oft werden ihre Arbeiten in Deutschland gezeigt, und manchmal inszeniert sie auch selbst.

Carbunariu macht die gesellschaftlichen Konflikte in Rumänien zum Stoff für ihre Stücke. Die Ceausescu-Diktatur war da schon Thema, aber auch die Perspektivlosigkeit der jungen Generation in den ehemaligen Ostblockländern. Jetzt ist man im Wiener Volkstheater auf Carbunariu aufmerksam geworden und hat sie eingeladen, ein Stück zu schreiben. Herausgekommen ist "Spargel", ein Werk in dem sich die Autorin den derzeit aktuellen Themen Migration und Toleranz widmet. Am 1. Dezember 2010 wurde das Stück im Schwarzen Salon des Volkstheaters uraufgeführt.

Kulturjournal, 02.12.2010

Migration und die damit verbundenen Ängste

Ein Supermarkt in der englischen Provinz. Hier frönen der Pensionist George und der junge rumänische Spargelstecher Dani der gleichen Abendbeschäftigung: Sie warten, bis sämtliche Lebensmittel mit nahendem Ablaufdatum billig abverkauft werden. Die beiden beobachten einander, kommen aber nie wirklich ins Gespräch, sondern bleiben in ihren eigenen Gedanken verhaftet.

Der Immigrant, der sich irgendwie durchschlägt, und der Pensionist, der sich das Leben in seinem eigenen Land kaum leisten kann, führen zwei innere Monologe, ihre Vorstellungen und Vorurteile bestätigen und widersprechen einander abwechselnd.

Das Stück "Spargel" müsste nicht unbedingt in einem Supermarkt spielen, sagt die Autorin Gianina Carbunariu, die beiden Protagonisten könnten auch weit voneinander entfernt sein. Entscheidend sei, was die beiden denken und welche Auswege sie aus ihrer Situation suchen. Es sei ein Stück über Migration und die damit verbundenen Ängste, zu dem sie ein Interview mit einem rumänischen Arbeiter in England angeregt habe, sagt Carbunariu. Immer wieder ist die Dramatikerin mit ihren Stücken hautnah an der Realität, auch wenn sie betont, kein dokumentarisches Theater zu machen.

Gründliche Recherchen

Sie sei keine Journalistin und nicht auf Wahrheitssuche, sagt Gianina Carbunariu. Reale Ereignisse inspirierten sie lediglich, sie wolle sie jedoch nicht auf der Bühne nachstellen.

Vor drei Jahren erlebte Carbunariu mit dem Stück "Kebab", das sich um drei junge rumänische Auswanderer dreht, ihren internationalen Durchbruch, seitdem verbucht sie kontinuierlich Erfolge.

Oft gehen den Arbeiten der Autorin umfangreiche Recherchen voraus, wie etwa beim Stück "20/20". Es befasst sich mit dem Konflikt zwischen Rumänen und der ungarischen Minderheit in der siebenbürgischen Stadt Targu Mures, der vor 20 Jahren eskaliert ist. Kurz nach dem Zusammenbruch des Kommunismus sei es in dieser Stadt zu Straßenkämpfen gekommen, sagt Carbunariu. Man sei hingefahren und habe Interviews mit Betroffenen gemacht.

Freie Theatergruppen im Stich gelassen

Auch außerhalb ihrer eigenen Arbeit setzt sich Carbunariu für progressives rumänisches Theater ein. 2003, noch als Studentin, hat sie die Gruppe dramAcum - auf Deutsch: "Drama jetzt" - mitbegründet. Mit vier weiteren Regisseuren sucht sie in diesem Projekt nach jungen Dramatikern und neuen Themen. Von der Politik fühle sich die freie Theaterszene in Rumänien im Stich gelassen, sagt Gianina Carbunariu. Subventionen gebe es nur für die Staatstheater, die bisher wenig Risiko eingegangen seien:

"Die freien Gruppen sind ohne Schutz. Am schlimmsten ist die Situation für jene, die nach uns kommen. Sie haben überhaupt keinen Anreiz, eigene Theater zu gründen. Jeder muss schauen, wo er bleibt." Nur wenige rumänische Theatermacher schaffen es daher wie Carbunariu, schon im jungen Alter international erfolgreich zu sein.

Service

Gianina Carbunariu, "Spargel", bis 11. Jänner 2011, Volkstheater,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

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