Adolf Loos über Essen

Hummer und Feing'spritzter

Der Architekt Adolf Loos war Pionier der Moderne, Lebensreformer und Polemiker. In seinen Texten und Vorträgen zur richtigen Lebensart ließ er nichts unkommentiert: Kleidung, Wohnen, Sitzen, Liegen und natürlich auch: wie und was man zu essen hat.

"Loos aß unter der Bettdecke Hummer mit Sauce."

Der Loos-Kenner Markus Kristan gibt eine unbestätigte Anekdote wieder.

Mit seinen radikalen, theoretischen Ideen - wie 1908 im Text "Ornament und Verbrechen" formuliert - und Bauten wie dem 1910 errichteten Geschäftshaus Goldmann & Salatsch am Michaelerplatz versetzte er seinerzeit nicht nur die Wiener Gesellschaft in Aufregung.

Parallelen zu Loos' gestalterischen Ansätzen sieht der Loos-Kenner Markus Kristan stellenweise in dessen Gastrophilosophie. Am Freitag, 10. Dezember 2010, hält er einen Vortrag über "Loos und das Essen". Anlass ist der Loos-Tag im Hofmobiliendepot - denn vor 140 Jahren wurde der Pionier der Moderne in Brünn geboren.

Kampf dem Wiener Schnitzel

Groß war Loos' Abneigung etwa gegen das Wiener Schnitzel oder auch gegen passierten Spinat, erzählt Kristan: "Das Wiener Schnitzel wird ja durch die Panier verhüllt - das passte ihm gar nicht. Ebenso wenig, wenn ein Nahrungsmittel in eine andere Form gebracht wird, wie eben passierter Spinat. Er gilt ja als Verfechter der Materialtreue und -ehrlichkeit. Alles soll, laut Loos, so gezeigt werden wie es wächst, ob Holz oder Gemüse."

"Die ekelhafteste Küche der Welt"

Einen Skandal löste Loos im Februar 1927 mit seinem nicht verschriftlichten Vortrag zum Thema "Wiener Küche - Französische Küche" aus. Aus Zeitungsberichten lässt sich rekonstruieren, wie Loos die Wiener Küche, "die ekelhafteste der Welt", verbal vernichtet hatte. So zitierte das Neue Wiener Journal:

"Ich erkläre, dass sich die Wiener Küche seit zweihundert Jahren nicht geändert hat. Die physische und psychische Struktur des Menschen hat eine vollkommene Umwandlung erfahren, nur in Wien kocht man noch so wie im 18. Jahrhundert. Zudem leistet der Wiener im Essen Beispielloses. Er nimmt nicht Nahrung zu sich, um satt zu werden, sondern er isst, bis er platzt. In erster Linie die Mehlspeisen, wie Knödel, auf die der Wiener so stolz ist und die man in den Weststaaten überhaupt nicht kennt. Der Franzose zum Beispiel nimmt Mehl nur in Form von Brot zu sich. Die Wiener Küche hat außerdem den Kardinalfehler, dass sie die Mannigfaltigkeit des Speisezettels ablehnt. Man ,pampft' sich hier gern mit einer Speise an, steht mittags total gebrochen vom Tisch auf und ist zu Arbeit teils ganz, teils zur Hälfte unfähig."

Warum Knödel den Wiener Damen schmecken erklärt sich Loos so:

Denn der Schweißgeruch der Hand, die den Knödel formt, auf erotische Geruchsverbindungen zurückgeführt, macht den Knödel schmackhaft, gibt ihm die richtige Würze.

Kulinarischer Olymp Frankreich

Als kulinarische Banausen stellte er die Österreicher den geschmacksicheren Franzosen gegenüber. Für den Wiener erfand Loos die schöne Beschimpfung "Mehlspeisg'frieß".

"Es gibt einige hässlichere Worte in seinem Vortrag", meint Markus Kristan, "lustig gemacht hat sich Loos etwa auch über die 'Pompfuneber'-Gastronomie, die tote Tiere inszeniert, wenn etwa das Spanferkerl mit aus den Ohren wachsenden Petersil-Büscheln versehen wird."

"Die Fackel" feuert den Streit an

Für die Feuilletons war die Erregung um Loos' Angriffe auf die Wiener Kochkunst willkommenes Futter. Karl Kraus kommentierte die Affäre in seiner Zeitschrift "Die Fackel" und schrieb ein "Strudel-Couplet".

Wie seinen Kern hat jeder Pudel,
So steckt halt auch in uns was drin.
In Knödel, Nudeln, Apfelstrudel
Setzt seinen Stolz der Mensch in Wien.
Und alle schrieen laut und schrieben,
Und die Panik war riesengroß:
Das Letzte, was uns noch geblieben,
Wird uns geraubt - der Löw' ist Loos!
Und alles stürzt sich in den Strudel hinein,
(...) Los von Loos soll unsre Losung sein!

Schinken-Schlagobers-Diät

Adolf Loos selbst lebte - je nach finanzieller Lage - so gut wie möglich, leistete sich die besten Speisen und Restaurantbesuche. Sein Lieblingsgetränk war der "Feing'spritzte": Champagner mit einem Schuss Sodawasser. Von Bedeutung ist vielleicht auch, dass er sein Leben lang an Magenproblemen litt.

Gastritis und Magengeschwüren versuchte er mit einer selbstentwickelten Diät entgegenzuwirken: In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ernährte er sich ausschließlich von Schlagobers und Schinken, den er in seiner Anzugtasche mitzutragen pflegte. Während des Krieges musste er schließlich - wegen Lebensmittelknappheit - zu der von ihm verschmähten Einbrennsuppe zurückkehren.

Hummer mit Kokoschka im Bett

Zahlreiche kulinarische Anekdoten sind über Loos überliefert, wie er etwa Hummer und Sauce unter seiner Bettdecke aß und Oskar Kokoschka zum Mitessen einlud, oder seine Studenten mit Pot-au-Feu verköstigte. Was der Lebensreformer und Polemiker wohl zur heutigen Gewohnheit, schnell, billig und unterwegs zu essen gesagt hätte?

Markus Kristan: "Ihm haben schon die unkultivierten Gewohnheiten seiner Zeitgenossen gereicht, man kann sich also vorstellen, was er zu Fast Food, Essen mit den Fingern oder in öffentlichen Verkehrsmittel gesagt hätte. Insofern hat er die Entwicklung vielleicht vorhergesehen und dagegen angekämpft - wenn auch erfolglos."

Service

Hofmobiliendepot - Loostag

Loos-Tag, Freitag, 10. Dezember 2010, im Hofmobiliendepot

"Leben mit Loos" von Inge Podbrecky, Rainald Franz. Böhlau Verlag Wien, 2008

"Adolf Loos: Maßgeschneidert modern" von Peter Stuiber, Metroverlag Wien, 2010