Gert Chesi über Voodoo

Afrika - die Magier der Erde

Gert Chesi beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Kunst aus Afrika. Der Tiroler ist Journalist, Sammler und Fotograf. 1995 hat er das Haus der Völker in Schwaz gegründet. Heute lebt er im westafrikanischen Togo. Dort setzt er sich eingehend mit Voodoo auseinander und hat über diese faszinierende Religion wieder ein Buch geschrieben: "Afrika - die Magier der Erde".

Kulturjournal, 21.12.2010

Gert Chesi erzählt erstmals aus dem Blickwinkel des in Afrika Lebenden über die Veränderungen, die diese alte Religion durchgemacht hat. Denn Voodoo ist heute im Afrika des 21. Jahrhunderts lebendiger denn je, so praktiziert etwa die Hälfte der Bevölkerung der einstigen deutschen Kolonie Togo Naturreligionen und Voodoo. Ja Voodoo scheint eine Art von Nationalbewusstsein auszudrücken.

"Es sind in Afrika eher die traditionellen Leute, die sich diesem Voodoo verbunden fühlen", erläutert der Autor. "Nur muss man eines wissen: Voodoo ist auch ein Symbol für Toleranz. Voodoo will ja alles integrieren, während die monotheistischen Religionen ja alles ausschließen wollen. Im Voodoo ist das Gegenteil der Fall. Man will also fremde Götter mit einbeziehen, weil man sagt: Jede positive Kraft, die ich in mein Weltbild integrieren kann, die kann mir weiterhelfen. Voodoo ist ein Überbegriff für den Afro-Amerikanischen Synkretismus, eine Form der Mischreligion, die auf dem animistischen Gedankengut der Afrikaner aufbaut und die bereit ist, alles mit einzubeziehen, was für sie positiv erscheint."

Ateliers und Tempel

In seinem Buch beschränkt sich Chesi auf seinen engeren Lebensraum, auf die Westküste Afrikas. In Togo hat der Tiroler ein Haus, dort ist er mit vielen Künstlern befreundet, dort stehen ihm die Türen zu den Ateliers und Tempeln offen. Immer wieder unternimmt er Streifzüge in dörfliche Gebiete - auf der Suche nach Raritäten für sein Museum oder für seine Fotosammlung. Auf einer dieser Reisen ist Chesi auch dem bislang einzigen bekennenden Schwarzmagier begegnet.

"Er wurde im Dorf gefürchtet, nicht geliebt", berichtet Chesi. "Aber seine Macht war unumstritten. Ich erinnere mich, dass ich ihn furchtbar blamiert habe, weil ich gesagt habe: Würde das auch für einen Ungläubigen wie mich wirken? Sagt er: Ja, selbstverständlich. Was müsste ich jetzt tun, um zu sterben? Sagt er: Du brauchst nur in den Kreidekreis zu steigen, dann wirst du tot umfallen. Da waren 30 Leute dabei, die das beobachtet haben. Ich bin in diesen Kreidekreis gestiegen und bin nicht gestorben. Damit war er natürlich entmachtet."

Eine heitere Religion

Doch meist ist Voodoo eine heitere, naturverbundene Religion, deren Spezialität es ist, alles zu vereinnahmen. Bekennende Christen sind in Afrika genauso Voodoo-Gläubige wie fromme Moslems. Und Voodoo bietet Frauen, die in Afrikas Gesellschaften meist eine recht untergeordnete Rolle spielen, eine Machtbasis.

"Die allermeisten Priesterinnen bestimmter Kulte sind Frauen. Und sie können nicht nur innerhalb dieser Kulte zu hohen Positionen aufsteigen. Es ist auch so, dass Frauen, die keine Kinder gebären können, in der afrikanischen Gesellschaft völlig wertlos sind. Da schafft der Voodoo ein Netz, um diese Leute aufzufangen. Er sagt: Diese Frau ist unfruchtbar, aber damit will uns der Gott irgendetwas sagen. Er will uns sagen, dass diese Frau von der normalen Gesellschaft außenstehen ist und für eine Priesterin prädestiniert ist - deren Kinder ja dann alle Kinder des Dorfes sind", so Chesi.

Umschlagplatz für Kindersklaven

Gert Chesi beschäftigt sich mit den einfachen Menschen in Togo, mit Künstlern, Priestern und Gläubigen. Er spart die Politik, die Verletzungen der Menschenrechte in seinen Büchern weitgehend aus und spricht auch nicht über die prekären Lebensumstände in einem Land, dessen Hauptstadt Lomé als Umschlagplatz für den internationalen Handel mit Kindersklaven gilt.

Chesi dokumentiert das Leben und die Religion dieser Menschen, deren Geschichte schon so oft fremdbestimmt war. Es ist an der Zeit Afrika seinen eigenen Weg gehen zu lassen - einen Weg, den auch die Magie mitbestimmt.

Textfassung: Rainer Elstner