Historikerdebatte in Frankreich

Haus der französischen Geschichte

Wenn Frankreichs Staatspräsident im kulturellen Sektor versucht, Initiativen zu ergreifen, kann man fast sicher sein, dass es Probleme gibt. So auch jetzt mit seinem Ansinnen, ein Haus der Geschichte Frankreichs, ein nationales Geschichtsmuseum zu gründen.

Kaum nimmt das Projekt konkretere Formen an, schlägt dem Präsidenten, vor allem von Seiten der französischen Historiker, geballte Skepsis entgegen - fast ist so etwas wie ein Historikerstreit entbrannt.

Kultur aktuell, 10.01.2011

Nationale Identität

In einem öffentlichen Brief in der Tageszeitung "Le Monde" Ende Oktober bezeichneten neun angesehene französische Historiker, unter ihnen Jacques Le Goff, das Projekt eines Hauses der französischen Geschichte schlicht als gefährlich und als Fortsetzung eines neonationalen Diskurses derer, die heute in Frankreich an der Macht sind, als Symbol eines Frankreichs, das sich auf sich selbst zurückzieht. Es sei erstaunlich, schrieben sie, dass man das Projekt eines "großen, historischen Museums des 21. Jahrhunderts" auf die Geschichte Frankreichs beschränken wolle in Zeiten, da die Globalisierung und Europa eine immer wichtigere Rolle spielen.

Präsident Sarkozy habe die Geschichte in den letzten Jahren derart oft instrumentalisiert, dass das Misstrauen einfach instinktiv sei, betonte der Historiker Henri Rousso und sein Kollege, Nicolas Offenstadt, meint:

"Das ist ganz klar ein ideologisches Projekt und ist vom Präsidenten der Republik auch als solches präsentiert worden. Er hat es in einer Rede 2009 gesagt: das Museum soll die Identität des Landes stärken und das Bedürfnis nach Sinn befriedigen. Dazu kommt: Auch das umstrittene Ministerium für Nationale Identität war mit diesem Projekt befasst. Dieses Museum wird das historische Schaufenster dieser Debatte über die nationale Identität sein."

Von Sarkozy angekündigt

In der Tat hatte Nicolas Sarkozy die Gründung des Museums angekündigt im Rahmen einer ausgesprochen wertkonservativen Rede über Frankreichs nationale Identität:

"Wir müssen auf unsere Geschichte stolz sein und das Erlernen der Geschichte Frankreichs zu einer Priorität für die Kinder in unseren Schulen machen. Deswegen habe ich an dem Gedanken festgehalten, ein Museum der französischen Geschichte zu schaffen, das alle Kinder unserer Schulen besuchen werden."

Noch kein fertiges Konzept

Rund 60 Millionen Euros werden für das Museum zur Verfügung stehen, das wegen knapper Mitteln nicht in einem Neubau untergebracht werden soll, sondern in einem Teil des französischen Nationalarchivs, einem historischen Gebäudekomplex im alten Pariser Marais-Viertel auf einer Fläche von drei Hektar.

Dabei ist das Konzept des Museums noch reichlich vage. Nicolas Lemoine, Präsident des Nationalarchivs sagt: "Das deutsche historische Museum in Berlin, das heute so etwas wie eine Referenz ist, geht von den Kelten bis Angela Merkel, wenn ich so sagen darf. Ich weiß nicht, ob wir von den Galliern bis Nicolas Sarkozy gehen werden, aber die Idee ist, dass man eine breite Sequenz der Geschichte unseres Landes im Ablauf zeigt, aber natürlich auf kritische Art und Weise."

Die "Seele Frankreichs"

Den kritischen Historikern war aber bereits 2008 eine Formulierung im Konzept für das Museums aufgestoßen, wonach die neue Einrichtung die "Seele Frankreichs" veranschaulichen sollte.

Trotzdem sagt Jean Francois Hébert, der Projektleiter für das Haus der französischen Geschichte, er verstehe die Aufregung der Historiker nicht:

"Als man das Centre Pompidou vor über 30 Jahren geschaffen hat, hat man ihm vorgeworfen, es wolle bestimmen, was zeitgenössischen Kunst ist, man werde dort nur Künstler sehen, die dem Präsidenten gefallen. Nichts davon ist wahr geworden. Die kulturellen Einrichtungen unseres Landes haben gewisse Garantien und akzeptieren politische Einflussnahme nicht, das wäre auch der Tod des Projektes."

Frankreichs Kulturminister, Frederic Mitterand, verteidigte jüngst das Projekt mit dem Argument, das Land verliere sein Gedächtnis, dem müsse abgeholfen werden. Wenn alles gut geht, wird das "Haus der französischen Geschichte" 2015 seine Pforten öffnen.