Ausstellung im Museum Reina Sofía

Großer Wurf von Dorit Margreiter

Das Museum of Modern Art in New York hat die Multimedia-Installation "Zentrum" von Dorit Margreiter erworben. Innerhalb weniger Tage feiert die österreichische Künstlerin damit bereits den zweiten internationalen Erfolg. In Madrid wurde ihre erste Einzelausstellung eröffnet: Das Museum Reina Sofía zeigt auf über 1.000 Quadratmetern Arbeiten der Wienerin.

Kulturjournal, 18.01.2011

Fotos und Filmprojektionen

Architektur und Film in ihrer Wechselbeziehung haben Dorit Margreiter bereits früh interessiert. Aus Fotos und Filmprojektionen, Installationen und Mobiles hat Margreiter eine Ausstellung im dritten Stock des Reina Sofía aufgebaut, die auf mehreren Ebenen wirken will. Für den Direktor des Madrider Museums für Moderne Kunst bietet die Ausstellung Gelegenheit, sein kürzlich vorgestelltes Konzept vom interaktiven Museum zu bestätigen, das kritische und informierte Besucher ansprechen will.

"In den Arbeiten von Dorit Margreiter spürt man eine Spannung, den Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Sie geht von der Idee einer Modernität aus, die sich nie erfüllt hat, die als Zukunftsentwurf gedacht war und heute bereits Vergangenheit ist", so Direktor Manuel Borja-Villel. "Sie beschreibt auch den Dialog zwischen Fiktion und Realität. Insgesamt sind das Themen, die für die Aktualität von Bedeutung sind. Und Absicht dieses Museums ist es, den Besuchern Sichtweisen der Welt zu liefern, in der wir leben."

Ein großer Wurf

Die erste Einzelausstellung der 1967 in Wien geborenen Künstlerin ist ein großer Wurf. Das Madrider Reina Sofía, das eben seinen 20-jährigen Bestand feierte und sich aus diesem Anlass auch programmatisch zur Interaktion zwischen Künstlern und Publikum bekannte, lud Dorit Margreiter ein, auf rund 1.000 Quadratmetern Fläche einen Querschnitt ihrer Arbeiten der vergangenen Jahre zu zeigen.

Was das für Margreiter eine besondere Herausforderung? "Es war für mich ein sehr wichtiger Schritt, die Möglichkeit zu haben, so viele verschiedene Arbeiten, die bis jetzt immer in Einzelausstellungen gezeigt wurden, so in einen Dialog miteinander treten zu lassen", so die Künstlerin.

Zerstörung sozialer Wohnbauten

Die von Lynne Cooke kuratierte Ausstellung im Reina Sofía nimmt ein Zitat von Rem Koolhaas zum Ausgangspunkt: Der niederländische Star-Architekt hatte die systematische Zerstörung sozialer Wohnbauten aus der Nachkriegszeit als Ergebnis eines "globalen Zorns" beschrieben. Margreiter begibt sich in ihrer Arbeit "Zentrum" auf die Spurensuchen nach den Überbleibseln einer Wohnbausiedlung in Leipzig: Das als typischer Plattenbau in den frühen 1960er Jahren errichtete "Brühlzentrum" wurde nach der Wende dem Verfall preisgegeben.

Kuratorin Lynne Cooke beschreibt Margreiters Installation "Zentrum", die vor wenigen Tagen auch vom New Yorker Museum of Modern Art angekauft wurde: "Die Wahl des Sozialbaus für ihre Arbeit wirft bereits Fragen über Erhaltung oder Abriss von Gebäuden auf. Welche Architektur wird bewahrt und warum? Welche Protokolle und Mechanismen liegen diesen Entscheidungen zugrunde? Wie wird über die Bestandserhaltung oder deren Gegenteil entschieden?"

Legendäres Haus

Den größten Saal der Ausstellung hat Dorit Margreiter für ihre Installation mit dem Titel "10104 Angelo View Drive" reserviert. Die klangvolle Adresse steht für eine 1963 vom Architekten John Lautner errichtete Villa mit Blick auf Hollywood.

Das Gebäude aus Beton war eine konzeptuelle Fingerübung, Türen und Fenster wurden erst später vom Besitzer eingebaut. Als Wohnraum war das Haus dennoch ungeeignet, als Set zahlreicher Fotoshoots für Modemagazine oder als Szenerie mehrere Filme wurde es hingegen weltberühmt. Dorit Margreiter mietete diese Ikone spätmodernistischer Architektur für zwei Tage und hauchte der kalten Filmkulisse - mit Unterstützung der Theatergruppe Toxic Titties - Leben ein.

"Da haben mich zwei Dinge interessiert: Erstens die Architektur des Hauses und die Geschichte des Hauses und dann hat mich das Haus als Geschichte in der Hollywood-Filmproduktion interessiert. Ich von zwei Seiten auf dieses Haus gestoßen: Einerseits durch Filme, die in diesem Haus spielen, und andererseits über den Architekturdiskurs, der über dieses Haus und John Lautner stattfindet", erzählt die Künstlerin.

Sein und Schein

Ein 16mm-Projektor, der mitten im abgedunkelten Saal des Reina Sofía steht, wirft den im Lautner-Haus entstandenen Film auf die Leinwand: fixe Einstellungen, in denen Glaswände zur Seite gleiten und Wasser stumm aus einem Brunnen fließt, werden von Margreiter mit kurzen Szenen unterschnitten, in denen die Toxic Titties in Aktion zu sehen sind. Sein und Schein, Fiktion und wirkliches Leben, wer kann sie noch auseinander halten?