Turbulenzen halten an

Tunesien: Neue Regierung mit vier Rücktritten

Tunesien kommt nach der Einsetzung der Übergangsregierung nicht zur Ruhe. Aus Protest gegen den Verbleib alter Kräfte an der Macht gingen erneut Regimegegner in Tunis auf die Straße. Aus Protest gegen den Verbleib alter Kräfte an der Macht haben sich vier designierte Minister wieder losgesagt.

Abendjournal, 18.01.2011

Aus Tunis,

Wieder Tränengas

Tunesien kommt nach der Einsetzung einer von Repräsentanten des bisherigen Regimes dominierten Übergangsregierung nicht zur Ruhe. Aus Protest gegen den Verbleib alter Kräfte an der Macht gingen am Dienstag erneut Regimegegner in Tunis auf die Straße. Die Wut richtet sich vor allem gegen die bisherige Staatspartei RCD, die inzwischen ihre Mitgliedschaft in der Sozialistischen Internationale (SI) verloren hat. Die Polizei setzte Tränengas ein.

Rückzug von vier Ministern

Die mächtige Gewerkschaft UGTT gab unterdessen bekannt, sie ziehe ihre drei Minister aus dem erst am Vortag gebildeten und "Regierung der nationalen Einheit" genannten Übergangskabinett des alten und neuen Premierministers Mohamed Ghannouchi zurück. Auch ein vierter Minister ist heute zurückgetreten. Ghannouchi, ein früherer treuer Gefolgsmann des nach Saudi-Arabien geflüchteten Ex-Machthabers Zine el-Abidine Ben Ali, kündigte unterdessen an, die Verantwortlichen für den Tod von insgesamt 78 Oppositionsanhängern vor Gericht zu bringen.

Alte Garde unerwünscht

Dass Führungskräfte des Ben-Ali-Regimes ihre Spitzenämter behalten, stößt allgemein auf Unmut. Man wolle niemanden mehr von der RCD, "das ist das alte, korrupte System", riefen Demonstranten auf der Avenue Bourguiba im Zentrum von Tunis. "Weg mit der RCD!", hieß es auf Transparenten. "Wir müssen aufpassen, dass man uns nicht unsere Revolution stiehlt". Die in die Regierung aufgenommene legale Opposition ist allerdings schlecht aufgestellt, die meisten ihrer Funktionäre sind alt und der Öffentlichkeit wenig bekannt. Die als stärkste oppositionelle Kraft geltende verbotene Islamisten-Partei Ennahdha wurde nicht an der Übergangsregierung beteiligt.