Ausstellung der türkischen Künstlerin

Gülsün Karamustafa in Wien

Die Istanbuler Künstlerin Gülsün Karamustafa ist seit ein paar Jahren regelmäßig in Österreich präsent. Ab Donnerstag, 20. Jänner 2011 zeigt sie im xhibit an der Akademie der Bildenden Künste ihre neue Arbeit - die wie immer einen politischen Kern besitzt.

Die Istanbuler Künstlerin Gülsün Karamustafa ist seit ein paar Jahren regelmäßig in Österreich präsent: Sie hatte eine Retrospektive im Kunstverein Salzburg. Vor einem Jahr war sie in Wien Artist in Residence am Augarten Contemporary, dem zeitgenössischen Kunstraum des Belvedere. Einen weiteren Arbeitsaufenthalt in Wien hatte Gülsün Karamustafa auf Einladung der Akademie der Bildenden Künste - und zwar im Rahmen eines EU-Projekts, bei dem Künstler aus europäischen Ländern als Artists in Residence in türkische Städte eingeladen wurden - und umgekehrt türkische Künstler in europäische Städte.

Was Gülsün Karamustafa bei ihrem jüngsten Wien-Aufenthalt produziert hat, ist jetzt an der Akademie der Bildenden Künste zu sehen - im xhibit, den Ausstellungsräumen gleich gegenüber der Gemäldegalerie. Eine Arbeit mit politischem Kern - wie immer bei Gülsün Karamustafa.

Das Private, Intime im Politischen

Bedingungen wie Diktatur, Flucht und Entwurzelung wirken in die intime häusliche Sphäre der Menschen hinein - bis hin zu den Gebrauchsgegenständen, die sie benutzen. Gülsün Karamustafas Installationen und Videos beziehen ihren Charme daraus, dass sie diese private Seite des Politischen aufgreifen. Zum Thema Migration stopfte die Künstlerin bunte türkische Steppdecken mit satinierter Oberfläche in Wäschekörbe aus Metallstangen; die Körbe konnten von den Ausstellungsbesuchern auf Rädern bewegt werden. "Mystic Transport" hieß diese Installation, eine ihrer bekanntesten.

Als Artist in Residence der Wiener Akademie am Schillerplatz kam Gülsün Karamustafa in einer Zeit nach Wien, wo die Debatte um türkische Communities einen Höhepunkt erreichte. Man erinnert sich: Der türkische Botschafter sprach ohne diplomatische Zurückhaltung die mangelnde Offenheit vieler Österreicher gegenüber Migranten an; er kritisierte aber auch die eigenen Landsleute.

Österreich-Türkei-Achse zwischen den Kriegen

Die Streitereien um das Interview hat Gülsün Karamustafa zwar mitbekommen, aber die Situation der Auslandstürken war nicht Thema ihres Wiener Projekts. Dieses handelt von europäisch-türkischen Verbindungen anderer Art. In den 1930er Jahren fanden vor den Nazis flüchtende Intellektuelle neue Arbeitsfelder in Istanbul oder Ankara. Andere kamen nicht als Exilanten, sondern einfach zu Projekten eingeladen. So erhielten der Architekt Clemens Holzmeister und der Bildhauer Anton Hanak von Atatürk den Auftrag, ein "Denkmal der Sicherheit" in Ankara zu gestalten.

Die zwei Österreicher entwarfen eine riesige Parkanlage mit Wasserbecken und mit Monumentalplastiken, die die Arbeit der türkischen Polizei feierten. Die Formensprache der steinernen Monstrums gleicht der Monumentalbildhauerei totalitärer Regimes in Europa.

Unerfreuliche Monumentalität

"Die visuelle Sprache des Faschismus, des Nationalsozialismus und sogar des realen Sozialismus ähnelten einander tatsächlich. Es gab in jenen Tagen eine wirklich unerfreuliche Sprache der Monumentalität. Das war eines meiner Probleme als Kind", erinnert sich Karamustafa.

Sie hatte deshalb Probleme mit dem Denkmal in Ankara, weil der Park ihr Spielplatz war. Ein Foto von ihr als kleines Mädchen vor der Skulpturengruppe ist Ausgangsmaterial der Arbeit.

Babypuppe mit Salzstreuer-Flügeln

Zu den klotzigen Steinkolossen hat die Künstlerin eine quasi kindliche Gegenwelt gebaut: Nippesfiguren auf Podesten füllen den Raum. Es sind kitschig-phantastische Kleinplastiken, zusammengesetzt aus Fundstücken. Zum Beispiel: der Unterteil einer Sporttrophäe aus einem Caritas-Laden, darauf eine Babypuppe vom Flohmarkt, ausgestattet mit Salzstreuern in Flügelform, die Gülsün Karamustafa auf einem Weihnachtsmarkt erstand.

So, bunt und lieb, hätte Gülsün Karamustafa als Kind ihre Umgebung gern gehabt - aber sie wuchs in dem visuell gewalttätigen Ambiente staatstragender Monumentalplastik auf.

Man hat mehr von der Arbeit, wen man weiß, dass Karamustafa die türkische Staatsgewalt nicht nur als ästhetisches Ärgernis erlebt hat. Nach den Studentenprotesten 1968 wurde sie ein halbes Jahr inhaftiert und durfte danach volle 16 Jahre nicht ausreisen.