EU-Handelspolitik gefährdet Entwicklungsländer

Die Jagd nach Rohstoffen

"Offen und fair" solle der Welthandel sein, sagt die EU. Doch was "fair" ist, darüber sind sich Brüssel und die Entwicklungsländer uneinig. Europa will freien Zugang zu Märkten und Rohstoffen der Entwicklungsländer, diese sagen, die EU-Handelspolitik gefährdet die Armutsbekämpfung.

Zerstört eine Hand, was die andere aufbaut?

Die europäische Entwicklungshilfe gibt Jahr für Jahr Millionenbeträge aus, um Kleinbauern in Afrika zu unterstützen. Sie sollen Nahrungsmittel für die eigene Bevölkerung herstellen und davon überleben können - anstatt in die Elendsviertel der Großstädte abzuwandern.

Doch was nützt das alles, wenn dann auf der anderen Seite die afrikanischen Märkte überschwemmt werden von billigen, weil hoch subventionierten, europäischen Agrarprodukten? So habe Europa in der Vergangenheit bereits die Geflügelbauern in Ghana, sowie die Milchbauern in Kenia in den Ruin getrieben, sagt David Hachfeld, Experte für Handelspolitik bei Oxfam Deutschland.

Derzeit verhandelt die EU mit den Ländern Afrikas, der Karibik und dem Pazifik neue Freihandelsabkommen, sogenannte EPAs. Und diese sorgen auf den EU-Afrika-Gipfeln immer wieder für Konfliktstoff. Afrika soll seine Märkte für europäische Produkte öffnen. Die Entwicklungsländer dürfen lediglich 20 Prozent ihrer empfindlichsten Produkte mit Hilfe von Einfuhrzöllen schützen. Bei weitem nicht genug, sagt David Hachfeld von Oxfam Deutschland.

"Welche Marktsektoren schützen, welche aufgeben?"

David Hachfeld von Oxfam Deutschland über die Wahlmöglichkeiten der Entwicklungsländer

Alles hört auf die Konzerne

Eigentlich hat sich die EU bereits vor Jahren dazu verpflichtet, die UNO-Millenniumsziele zur Armutsbekämpfung zu unterstützen. Und dafür sollten diverse Politikbereiche kohärent aufeinander abgestimmt sein - also auch Handels-, Sicherheits-, und Landwirtschaftspolitik. Entwicklungspolitische Organisationen fordern seither immer wieder verzweifelt diese Kohärenz ein.

Doch in Wahrheit sei die EU-Politik kohärenter als viele wahrhaben wollen, betont Pia Eberhardt von der Corporate Europe Observatory in Brüssel, einer NGO, die den Einfluss von Konzernen auf die EU-Politik beobachtet. Nur eben kohärent in einer ganz anderen Richtung: Es sind die Interessen der transnationalen Konzerne aus Europa, denen alle anderen Politikbereiche untergeordnet werden.

"Weltweit transnationalen Unternehmen Märkte öffnen."

Pia Eberhardt von der Corporate Europe Observatory in Brüssel über das Paradigma der EU-Außen- und EU-Wirtschaftspolitik

Keine Industrie ohne Rohstoffe

Beispiel Rohstoffe: Die europäische Industrie braucht Holz, Tierhäute, Mineralien, seltene Erden und sogenannte Hightech-Metalle wie Kobalt, Platin und Titan. Ohne Rohstoffimporte könnten europäische Firmen keine Autos herstellen, kein Papier und keine Mobiltelefone. Das Problem: Viele Rohstoffe werden knapp, China will sie auch und so manches Herkunftsland würde sie gerne selber behalten und verarbeiten.

Daher hat die EU die sogenannte Rohstoff-Initiative ausgearbeitet - ein Maßnahmenkatalog, der die europäische Rohstoffversorgung sichern soll. Was NGOs an dieser Initiative kritisieren: Europa will Druck auf Entwicklungsländer ausüben, damit es keine Ausfuhrbeschränkungen für Rohstoffe gibt. Dabei könnten gerade solche Exportbeschränkungen ärmeren Ländern helfen, selbst Industrie aufzubauen, erklärt David Hachfeld.

"Negative Anreize für den Export setzen."

David Hachfeld erläutert Marktveränderungen am Beispiel der Lederindustrie Kenias.

Die Pistole auf der Brust

Daher sind auch Exportbeschränkungen ein heiß umstrittenes Thema bei den EPA-Freihandelsabkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten. Bisher wurde nur ein vollständiges EPA-Abkommen unterzeichnet, nämlich mit den Karibik-Staaten. Mit einigen afrikanischen Ländern gibt es Übergangsabkommen.

Hinter vorgehaltener Hand beklagen sich Vertreter der afrikanischen Union immer wieder, dass sie von den Europäern keineswegs wie gleichwertige Gesprächspartner behandelt werden. Warum unterschreiben sie die Abkommen trotzdem?

"Wenn einem Land eine Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt wird, 'entweder ihr unterschreibt das EPA-Abkommen oder wichtige Exportprodukte aus eurem Land verlieren den Marktzugang zur europäischen Union', dann ist das eine schwierige Entscheidung“, erklärt David Hachfeld.

Wer verdient an Entwicklungshilfe?

Auch die Entwicklungszusammenarbeit werde zunehmend als Druckmittel benutzt, sagt Pia Eberhardt von Corporate Europe Observatory. Bekommt künftig nur Entwicklungshilfegelder, wer auf der Handelsebene kooperiert?
Überhaupt steht die Entwicklungszusammenarbeit zunehmend unter dem Druck, sich rechtfertigen zu müssen, welchen wirtschaftlichen Nutzen sie den Gebern bringt. Das beklagen auch EZA-Vertreter in Österreich. Hier sollen ja die Entwicklungshilfegelder bis 2014 um ein Drittel gekürzt werden.

Dabei hat EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso erst im November 2010 beim EU-Afrika-Gipfel großzügig versprochen, dass die EU ihre Entwicklungshilfe in den nächsten vier Jahren auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufstockt. Ein Versprechen, das schon seit Jahrzehnten am Tisch liegt. Uneingelöst.

Service

EU-Kommission - "Handel, Wachstum und Weltgeschehen". Die neue Handelsstrategie der EU (PDF)
Oxfam Deutschland
Corporate Europe Observatory

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