Die zentralvietnamesische Küste

Ökoprojekte gegen Bauwahnsinn

An der Küste zwischen Danang und Hoi An werden laufend neue Gebäudekomplexe und Luxushotels verwirklicht, die einst einsamen Sandstrände verschwinden. Manche - vor allem die vietnamesischen Politiker - sehen diese Entwicklung als Chance für die Bevölkerung, andere wieder fürchten eine völlige Zerstörung der Natur und der traditionellen Dorfstrukturen.

Man hat das Negativbeispiel Nha Thrang, 400 Kilometer weiter südlich, vor Augen. Der einst idyllische Strand wurde im Zuge des Wirtschaftsbooms von Betonklötzen und Geschäften verunstaltet. Das Magazin "National Geographic" kürte ihn jüngst zu einem der schlechtesten Strände der Welt.

Noch ist die Umgebung des Städtchens Hoi An relativ intakt und einige alternative Tourismus-Initiativen versuchen mit Öko-Projekten dem beginnenden Bauboom etwas entgegen zu setzen. Auch sie wollen die Lebensbedingungen der Bevölkerung, die gerade hier lange im Hintertreffen war, verbessern. Allerdings mit sanfteren Methoden. Sie versuchen, den Schutz der Umwelt und der traditionellen Lebensweise der Einheimischen zu forcieren.

Vietnamesischer Kochkurs

In den diversen Lokalen der Stadt Hoi An werden "Cooking Classes" angeboten, die Einblicke in die köstliche vietnamesische Küche geben und interkulturelle Begegnungen ermöglichen. Früh morgens bricht man mit dem jeweiligen Chef de la cuisine auf, um auf dem ziemlich ursprünglichen Markt die nötigen Zutaten zu besorgen: Lotusblätter und Wurzeln, Guaven und Bananenblätter, Fisch und Geflügel, sowie Knoblauch, Chilischoten, Ingwer und frischen Koriander. Dann wird man in die Kunst des Frühlingsrollen-Herstellens sowie des fachkundigen Abschmeckens der vietnamesischen "pho", einer gehaltvollen Reis-Nudelsuppe mit Hühner- oder Rindfleisch eingeweiht.

Ein anderes "Ökotourismusprojekt" hat sich der junge Jack Tran einfallen lassen: Er hat vor drei Jahren die "Hoi An Eco Tour" gegründet, ein Familienunternehmen, in dem seine Eltern und sein Cousin, aber auch befreundete Bauern und Fischer mitarbeiten. Per Fahrrad erkundet Jack Tran mit kleinen, überschaubaren Touristengruppen die nähere Umgebung von Hoi An und gewährt ihnen Einblicke in den ländlichen, vietnamesischen Alltag. Bei diesen Ausflügen wird auch der Zeitgeschichte Rechung getragen.

Biobauernhof in Vietnam

Eine fünfeinhalbstündige Tour nennt sich "Farming & fishing life". Aus dem hektischen Getriebe der Kleinstadt geht es per Fahrrad hinaus in eine idyllische Landschaft. Das dicht verbaute Gebiet wird luftiger, einige Straßendörfer reihen sich aneinander, außerdem Palmenhaine, Gärten und Reisfelder, durchzogen von schmalen Kanälen und holprigen Pfaden.

Die Fahrräder sind gut gewartet und trotzen den schlechten Straßen. In den Teichen blühen Wasserlilien und Lotusblüten. Im Schlamm suhlen sich Wasserbüffel. Die Gemüsegärten sind in lange schmale Beete eingeteilt. Sie werden vornehmlich händisch gepflegt. Meist Frauen hocken am Boden, jäten Gemüse oder lockern vor dem Gießen den Boden auf. Landwirtschaftliche Maschinen sieht man kaum, hin und wieder ein klappriges Fahrrad. Vor der Sonne schützt die Arbeitenden nur die spitz zulaufenden Hüte aus Reisstroh, die sogenannten "non las". Ein typisches Bild im ländlichen Vietnam.

Hier gedeihen Salat, Bohnen, Koriander, Minze, Spinat, Kohl und Zwiebel - und das ganz ohne Kunstdünger. Gedüngt wird - ganz biologisch - mit angetrocknetem Seetang, den man mit langen Gabeln aus den Teichen fischt, ein paar Tage trocknen lässt und dann in die Erde einbringt, erklärt Jack Tran. Der junge Mann wurde von seiner Gemeinde auserwählt, an einem wirtschaftlich orientierten Ausbildungsprojekt teilzunehmen und künftig Vermittlungsarbeit für sein Dorf zu leisten. Jack Tran nützte seine Chance, lernte Englisch, absolvierte einen Tourismuslehrgang, arbeitete ein paar Jahre in einem Hotel und spezialisierte sich dann auf Ökotourismus.

Seine Heimatgemeinde hat auf den richtigen Mann gesetzt: Inzwischen bringt er mehrere Tausend Touristen auf sanfte Weise in die Region und sichert dadurch den Bewohnern seines Dorfes ein gewisses Grundeinkommen. Ein Teil der Einahmen, die von Hoi An Eco Tours erwirtschaftet werden, fließt nämlich in die Taschen der Bauern und Fischer, die sich bereit erklären, den Touristen von ihrer traditionellen Lebensweise in der sozialistischen Republik Vietnam zu erzählen.

Über manche der in akkuraten Streifen angelegten Beete sind Netze gespannt, um die frischen Kohl-Setzlinge vor der Sonne zu schützen. "Morning Glory" heißt die Spinatsorte, die in dem tropisch-schwülen Klima und dank des Seetanges ziemlich gut gedeiht. Ein Bund bringt etwa 2.000 Dong ein, berichtet Jack Tran, das ist umgerechnet nicht einmal ein Cent.

Die Bäuerin Go-Lang und ihr Mann erklären die traditionelle Bewässerungsmethode: Brunnenwasser wird in jeweils zwei Zwölf-Liter-Kannen gefüllt, mit einer Stange, die über die Schultern gelegt wird, zu den Beeten gebracht und dort ausgegossen. Eine mühselige Arbeit. Viele hundert Liter müssen pro Tag vergossen werden. Früh am Morgen beginnen die Bauern ihr Tagewerk, da ist es noch nicht ganz so heiß. Auch für die Radfahrer nicht, die sich über holprige Pisten durch die Reisfelder und auf Dämmen zwischen den Teichen schließlich zu einem Seitenarm des Flusses Thu Bon, nicht weit vom Cua Dai Strand, vorarbeiten.

Fischfang auf Vietnamesisch

Auf der Eco-Tour-Dschunke warten schon Jack Trans Vater, genannt Captain Cook, und Jacks Cousin, sowie fünf weitere Touristen, die sich mit dem Alltag der vietnamesischen Fischer vertraut machen wollen. Das Boot mit den aufgemalten Augen tuckert vorbei an einigen Dörfern zur Mündung des Flusses Thu Bon.

Ein flaches Holzboot, das an eine Plätte erinnert, nähert sich der Dschunke. Mit einem langen Ruder, mit dem er im Boot stehend immer wieder ins Wasser sticht, bringt der Fischer das Boot in die richtige Position. Dann wirft er mit eleganten Bewegungen ein großes, aber doch filigran wirkendes Netz in einem weiten Bogen ins Wasser. Kurz darauf holt er es wieder langsam und ganz vorsichtig ein. Seine Frau, die auch im Boot hockt, pflückt ein paar kleine Seebarsche, Sardinen und Flundern aus dem Netz. Die mühsame Arbeit bringt vielleicht vier oder fünf US-Dollar am Tag ein. Da ist die Arbeit mit den Touristen schon etwas gewinnbringender.

Gerne hat daher Jack Trans Nachbar das Angebot des jungen Unternehmers angenommen, hin und wieder Touristen die traditionelle Fischereitechnik zu zeigen. Geduldig hilft er den mit Schwimmwesten Ausgerüsteten beim Umsteigen auf das flache Boot: Nun sind die Gäste an der Reihe, das Netz in Windrichtung ins Wasser zu werfen und ihren Fang an Bord zu ziehen. Bei allem Vergnügen, das die Touristen bei dieser ungewohnten Tätigkeit haben, begreifen sie schnell das harte Los der vietnamesischen Fischer. Immer schwieriger ist es, meint auch Jack Tran, sein Leben mit dieser Arbeit zu fristen. Auch an diesem Tag ist die Beute nicht gerade reichlich, obwohl sich die Gäste ganz geschickt angestellt haben. Zum Glück sind nicht - wie von Jack Tran anfangs angekündigt - bloß die selbst gefangenen Fische als Mittagessen vorgesehen.

Zeitgeschichte im Mangrovensumpf

Während Captain Cook auf der Dschunke schon köstliche Frühlingsrollen, Shrimps, gebackenes Gemüse und andere Köstlichkeiten für später vorbereitet, beginnt der zeitgeschichtliche Teil des Ausfluges. Mit geflochtenen runden Korbbooten, die früher für die Ozeanfischerei verwendet wurden und maximal vier Menschen Platz bieten, paddeln Jack Tran und die kleine Touristengruppe zum weit verzweigten Kanalssystem des Thu Bon, in dessen trübes Wasser Mangroven ihre Äste und Wurzeln strecken.

Hier, erklärt Jack Tran, war ein Schauplatz des "Amerikanischen Krieges", hier versteckten sich die Kämpfer des Vietkong in den Kanälen und Mangrovenwäldern. Manchmal mussten sie stundenlang unter Wasser ausharren und atmeten durch Bambusrohre, damit sie nicht von den amerikanischen Hubschraubern entdeckt wurden. Beinahe jede Familie in Jack Tarns Heimatdorf ist vom "Amerikanischen Krieg", wie Jack Tran den Vietnamkrieg ausdrücklich nennt, betroffen und hat Mitglieder verloren. Über die Vergangenheit zu sprechen ist wichtig, meint der junge Mann, gerade, wenn man nachhaltigen Tourismus betreiben möchte, sollte man auch dieses so wichtige Kapitel der vietnamesischen Zeitgeschichte ansprechen.

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