Joschka Fischer über arabische Proteste

"Radikalisierung wäre brandgefährlich"

Der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer ruft die EU-Länder zur großzügigen Aufnahme der Flüchtlinge aus den Umsturzländern des arabischen Raumes auf. Das sei eine Investition in die Zukunft und ein Beitrag gegen die mögliche Radikalisierung in diesen Ländern, die "brandgefährlich" wäre, so Fischer.

"Wie man es auch 1989/90 gemacht hat"

Der deutsche Ex-Außenminister Joschka Fischer im Ö1 Abendjournal-Interview am 17.02.2011 mit Peter Fritz

Demokratiebewegung durch "soft power"

"Unsinn" und "Rechtfertigungsreden" sind nach Ansicht von Joschka Fischer US-Aussagen, dass die Demokratie im arabischen Raum auf den Angriff auf den Irak zurückzuführen sei. "Wenn, dann können Sozialmedien wie Myspace oder Twitter oder auch Network-Ideen wie CNN und Al Jazeera zu Recht reklamieren, dass sie die Veränderung vorangebracht haben", sagt Joschka Fischer im Ö1-Interview. Es sei "soft power" gewesen, nicht "hard power, nicht Rumsfeld, nicht Cheney und nicht Bush."

Investitionen in die Zukunft

Die europäische Angst vor Flüchtlingsströmen versteht Fischer nicht. Auch 1989/90, beim Fall des Eisernen Vorhangs seien viele gekommen, es seien aber auch wieder viele gegangen. "Hier ist Großzügigkeit entscheidend, Studienplätze und Arbeitsplätze, die man anbieten könnte." Das seien vorübergehende Entwicklungen, "wenn man das richtig anpackt, wie man das auch 1989/90 gemacht hat". Jede Investition in junge Tunesier oder Ägypter sei eine Investition in die Zukunft. Noch sei nicht entschieden, ob sich der Nahe Osten in Richtung Demokratie oder Radikalisierung entwickle. "Wenn er sich radikalisiert, dann wird es für uns brandgefährlich und richtig teuer."

Hilfe für Protest im Iran

Besondere Unterstützung fordert Fischer für die Opposition im Iran: "Diejenigen, die dort demonstrieren, haben bewundernswerten Mut. Denn sie wissen, was sie erwartet, wenn sie festgenommen werden - Furchtbares." Man müsse diese Protestbewegung unterstützen, sagt Joschka Fischer, "aber wir müssen es so tun, dass daraus nicht wieder ein Vorwand für das Regime kommt. Wir können dort nicht so tun, als wenn da nichts wäre."

"I am not convinced"

Joschka Fischer hat in Berlin sein neues Buch vorgestellt. Sein Titel "I am not convinced", also "Ich bin nicht überzeugt", ist ein wörtliches Zitat, das Joschka Fischer vor dem Irakkrieg dem damaligen US- Verteidigungsminister Donald Rumsfeld entgegen geschleudert hat. Joschka Fischer befasst sich in dem Buch mit der internationalen Außenpolitik vor dem Irakkrieg und danach.

Service

Joschka Fischer, "I am not convinced", Der Irakkrieg und die rot-grünen Jahre, Verlag Kiepenheuer & Witsch, ISBN: 978-3-462-04081-4