Neu aufgelegter Roman von Donald Windham

Zwei Menschen

Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau sei erst dann erreicht, so lautet eine recht kluge These, wenn das Faktum, dass eine Frau einen wichtigen Posten besetzt, nicht mehr extra erwähnt wird. Wenn nur mehr die Leistung des Menschen - oder eben sein Versagen - bewertet wird; und sich niemand mehr darum kümmert, ob dieser Mensch Mann oder Frau ist.

Analog dazu könnte man sagen: Die Normalisierung des Schwul-Seins in der Literatur wird erst dann gegeben sein, wenn kein Rezensent mehr darauf hinweist, dass ein bestimmtes Buch - wie eben Donald Windhams "Zwei Menschen" - ein "Klassiker der Schwulenliteratur" ist. Wenn es also nicht mehr als etwas Erwähnenswertes gesehen wird, dass sich in einem Text nicht Mann und Frau lieben, sondern ein Mann und ein Mann.

Fellini lässt grüßen

Dass die Liebe eben die Liebe ist, egal wen sie trifft, dafür ist "Zwei Menschen" ein hervorragendes Beispiel. Denn Windham zeigt in seinem 1965 im Original erschienen Buch, dass schwule Liebe nichts Außergewöhnliches ist. Der Roman spielt im Rom der 1950er Jahre. Ein wenig wirkt die Stadt wie aus Fellinis "La dolce vita" kopiert. Überall findet man schöne Leute - vor allem schöne junge Männer - und alle scheinen sich alle im Rausch der Sinne zu verlieren.

Forrest, der eine Hauptdarsteller des Buches, ist ein 33-jähriger Broker aus den Vereinigten Staaten. Mit seiner Frau hat er eine Europareise unternommen; die beiden gemeinsamen Kinder haben sie zu Hause gelassen. Ein Ausbruch aus der festgefahrnen Routine in New York sollte diese Europatour werden - und ein Ausbruch ist sie auch, wenn auch anders als gedacht. Denn irgendwann können sich Forrest und seine Frau nicht mehr sehen. Sie fährt nach Hause. Er bleibt noch ein wenig in Rom, auch weil der Mietvertrag für die Wohnung noch einige Zeit läuft.

Was treibt sie dazu?

Alleine in der fremden Stadt flaniert der Amerikaner durch die Gegend. Da ist einerseits das Hochgefühl der Freiheit, andererseits die Angst vor dem Fremden. Eines Tages nun trifft Forrest an der Spanischen Treppen zufällig den 17-jährigen Schüler Marcello. Die beiden flirten, treffen sich dann mehr oder weniger zufällig wieder und dann lädt Forrest den Jungen zu sich nach Hause ein. Der zögert nicht lange, geht mit, zieht sich aus - und nimmt danach ganz selbstverständlich das angebotene Geld.

Windham lässt den Leser über die Intentionen seiner Figuren immer im Unklaren. Warum geht Marcello mit Forrest mit? Des Geldes wegen? Der Geschenke wegen? Und von wie vielen anderen Männern lässt er sich sonst noch ins Kino einladen und dort intim berühren? Und wie ist eigentlich Marcellos Verhältnis zu Frauen? Denn da gibt es Nini, ein Mädchen aus bestem Hause, für das er schwärmt. Der Sex mit Forrest, so redet es sich Marcello ein, sei nur ein Ersatz dafür, dass er mit Nini keine "richtige Liebe" machen könne. Und aber dem Moment, ab dem das möglich sei, würde er den Amerikaner verlassen.

Die Suche nach dem Ich

Und auch Forrests Intentionen werden nie ganz klar. Ja, er verehrt und begehrt Marcello wegen dessen Jugend und dessen Schönheit. Und nach und nach zieht es ihn immer tiefer in diese Beziehung, die für ihn zu Beginn nichts anderes als aufregender Zeitvertreib war. Aber immer wieder denkt er an seine Frau, seine Kinder und seine Heimat. Auch für ihn ist die homosexuelle Beziehung zu Beginn kein abrupter Bruch, keine Neudefinition des Selbst, sondern etwas, das er bloß ausprobieren will.

So gesehen ist auch der Titel des Romans gut gewählt. Denn es geht in diesem Text nicht darum, dass ein Mann einen Mann begehrt; auch nicht darum, dass ein Älterer sich in einen Jüngeren verliebt, sondern es geht schlicht und einfach um "zwei Menschen". Windham entzieht sich jeder psychologischen Deutung. So hat Marcello zu Hause Probleme mit seinem Vater, denn dieser scheint ihn nicht besonders zu lieben. Aber auf die plumpe Deutung, dass der Junge eben im amerikanischen Broker einen Vaterersatz sucht, auf die lässt sich Windham nicht ein.

"Zwei Menschen" ist ein Liebesroman. Aber mehr noch ist es ein Buch über die ewige Suche nach dem eigenen Ich. Windham zeigt zwei Menschen, die etwas suchen, und selbst nicht genau wissen, was das sein könnte.

Service

Donald Windham, "Zwei Menschen", aus dem Amerikanischen übersetzt von Alexander Konrad, Verlag Lilienfeld

Lilienfeld - Zwei Menschen