Experten fordern Nachbesserungen

Gemeinsame Obsorge: Kritik am Entwurf

Der jüngste Gesetzesentwurf des Justizministeriums zum Familienrecht stößt auf heftige Kritik - unter anderem von SPÖ-nahen Frauenvertreterinnen, den Grünen und der Wiener Kinderanwaltschaft. Aber auch gemäßigte Väterrechtler sind nicht zufrieden.

Morgenjournal, 28.02.2010

Kinderanwältin: Mehr Streit

Die Hoffnung von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, dass der von ihr veröffentlichte Entwurf in einer Experten-Arbeitsgruppe gutgeheißen wird, dürfte sich nicht erfüllen. Dieser Gesetzesentwurf würde nicht für weniger Streit, sondern für mehr Streit zwischen geschiedenen und getrennten Eltern sorgen, glaubt die Kinderanwältin der Stadt Wien, Monika Pinterits. Sie sieht im vorliegenden Entwurf ein "Kindeswohl-Gefährungsgesetz und ein Eltern-zum-Streit-Aufforderungs-Gesetz".

Neue Streitpunkte

Pinterits argumentiert, bisher hätten Eltern oft über Obsorge, Besuchsrecht und Informationspflicht gestritten. Mit dem neuen Gesetzesentwurf gebe es statt dieser drei gleich neun mögliche Streitpunkte - etwa auch die Frage, ob das Kind eine Doppelresidenz haben soll, also die halbe Zeit jeweils bei Vater und Mutter leben soll. Und auch wenn streitenden Eltern vom Gericht zur gemeinsamen Obsorge verpflichtet werden können, also dazu, gemeinsam Entscheidungen in rechtlichen Fragen des Kindes zu treffen, werde das eher für Eskalation sorgen, so Pinterits.

"Sozialromatik"

Pinterits hat am Freitag noch an einem Expertentreffen im Frauenministerium teilgenommen, ebenso wie Frauenhauschefin Andrea Brem. Auch sie findet, der Gesetzesentwurf sei nicht im Interesse der Kinder: "Das ist ein Elternrechtsgesetz, besonders ein Väterrechtsgesetz." Brem bezeichnet den Entwurf als "Sozialromantik". Das Gericht müsse im Sinne des Kindeswohls entscheiden, und das fehle in diesem Entwurf.

Väter-Kritik

Der gemäßigte Väterrechtler Anton Pototschnig von der Plattform "Doppelresidenz" sieht im Gesetzesentwurf zwar einen Schritt nach vorne, aber einen zu kleinen. Vorgesehen ist etwa, dass Väter ihre Kinder künftig mindestens vier Tage pro Monat sehen dürfen, doch dieses Mindestmaß gelte nicht für kleine Kinder, die das Schulalter bereits erreicht haben. Für Pototschnig unzureichend, denn die meisten Trennungen passierten im Kindergartenalter des Kindes. Außerdem orientiere sich das Mindestmaß an einer Regelung, die schon jetzt mehr oder weniger Standard sei.

Noch ein Termin?

Viele Kritikpunkte also am Entwurf aus dem Ministerium von ÖVP-Ministerin Bandion-Ortner. Kinderanwältin Pinterits wünscht sich einen weiteren Termin mit der Ministerin, "wo vielleicht doch noch das eine oder andere an dem Gesetzestext verändert werden könnte." Das Ultimatum der Justizministerin, dass es bis Ende Februar eine Lösung im Familienrechtsstreit geben muss, dürfte wohl unerfüllt ablaufen.