Rudolf Taschner über die Ungerechtigkeit der Welt

Gerechtigkeit siegt - Aber nur im Film

"Fast alle dramatischen Stücke handeln davon, dass irgendjemand ungerecht behandelt wird. Und Hollywood lebt davon, dass zum Schluss endlich die Gerechtigkeit siegt", meint Rudolf Taschner.

Nach dem Abspann folgt freilich die Ernüchterung. Denn: Es gibt keine Gerechtigkeit, zumindest nicht auf Erden, davon ist der Mathematiker Rudolf Taschner überzeugt. "Gerechtigkeit siegt - Aber nur im Film" lautet auch der Titel seines neuen Buchs.

Die Finanzkrise hat es gezeigt

In "Wall Street 1" werde der Verbrecher (Gordon Gekko) "endlich einmal gefangen genommen und das ist gut so", sagt Taschner. "Und man geht hinaus in die Wirklichkeit und merkt, die Welt ist nicht so wie im Film." Im wahren Leben, so Taschner, stolpern wir von einer Verwerfung des Vertrauens auf die Gerechtigkeit in die nächste. Und der Schaden treffe in den seltensten Fällen diejenigen, die ihn angerichtet haben. Das habe sich ja zuletzt bei der Finanzkrise deutlich gezeigt.

"Zeit für Gerechtigkeit" lautet deshalb auch die Losung der Politik, doch was unter dem Begriff eigentlich genau zu verstehen ist, wissen wir nicht. Nur die Ahnung davon treibt uns voran: "Es ist fast wie ein Weg ins Unendliche", meint Taschner, "insofern ist die Gerechtigkeit ja auch ein bisschen was Mathematisches. Es ist sozusagen eine Soziologie des Unendlichen. Ich komme nicht hin, aber ich spüre, es gibt dieses Ziel."

Gleiche Chancen für alle?

Am Beispiel Schulsystem zeige sich etwa, wie der abstrakte Gedanke von Gerechtigkeit am konkreten Einzelfall versagen kann. Gleiche Chancen für alle - darauf könne sich das Bildungsbürgertum einigen. Dennoch schicken jene Eltern, die es sich leisten können, ihre Kinder nicht in die Gesamt- sondern in die Eliteschule.

"Als Elternteil will ich für meine Kinder das Beste", so Taschner. "Ich will die beste Schule, den besten Kindergarten, die beste Ausbildung haben. Das ist ja spieltheoretisch ganz klar: Ich versuche den eigenen Nutzen zu maximieren. Was soll daran verwerflich sein? Aber ist es gerecht? Und kaum jemand macht das, nicht einmal die, die als Proponenten der Gesamtschule die Fahnen wehen lassen, machen das bei ihren eigenen Kindern. Und man kann es ihnen nicht einmal verdenken. Was liegt einem näher, als die eigene Familie?"

Glück und Heil suchen und finden

Der wohl geistreichste Vorschlag, wie sich eine gerechte Gesellschaft verwirklichen lasse, stamme vom amerikanischen Moralphilosophen John Rawls. In seiner "Theory of Justice" fragt er, auf welche Grundregeln wir uns einigen könnten, wenn wir in einer Art Urzustand vor der Geburt nicht wüssten, ob wir einmal reich oder arm, Mann oder Frau, mächtig oder machtlos seien würden.

"Und gerecht, sagt Rawls, ist eine Gesellschaft dann, wenn man nicht weiß, in welche dieser verschiedenen möglichen Positionen man hineingeboren wird", erklärt Taschner. "Wenn man sagt, egal in welche ich hineingeboren werde, ich kann darin mein Glück und mein Heil finden. Das wäre für ihn eine gerechte Gesellschaft, also eigentlich ein unnatürlicher Zustand."

Glück muss man haben

Von Natur aus sei der Mensch aber eher ein Spieler, meint Rudolf Taschner. Das zeige auch die unglaubliche Begeisterung mit der viele beim Lotto mitspielen - trotz nahezu aussichtsloser Chancen:

"Das Glückspiel ist ja gerade das Gegenteil zu dem, was Gerechtigkeit schaffen will. Beim Glücksspiel bekommt zufällig irgendeiner ohne eine Leistung zu vollbringen eine Riesensumme. Und die anderen bekommen gar nichts. Und das ist sehr interessant, niemand sagt in diesen Landen, das ist ungerecht. Sondern das ist einfach das Glück. Und man möchte beides haben: Gerechtigkeit und Glück. Und in diesem Zustand leben und fretten wir uns ab."

Service

Rudolf Taschner, "Gerechtigkeit siegt - Aber nur im Film", Ecowin Verlag

Ecowin - Gerechtigkeit siegt