Essays von Gerald Schmickl

Lob der Leichtigkeit

"Schwere Leben gelten oft als exemplarisch. Die Tendenz, sich das Leben schwerer zu machen als es sein müsste, ist in diesem mitteleuropäischen Raum sehr ausgeprägt", meint der Journalist und Autor Gerald Schmickl. Viel zu selten, so erwägt er, wird das Leben in unserer Gesellschaft mit der ihm gebührenden Leichtigkeit bedacht.

Stattdessen scheinen Schwere und Ernsthaftigkeit des Lebens ein viel höheres Ansehen zu genießen: "Ich hab den Eindruck, dass bei uns Schwere, Dramatik und Tragik überbetont sind, diese Elemente machen das Leben erst 'formvollendet'. Leichtigkeit wird zwar angestrebt, hat aber etwas Frivoles an sich, bis zu einem gewissen Grad ist sie keine Lebensweise, die ein starkes kräftiges exemplarisches Leben ausmacht."

Leicht ist noch lange nicht trivial

"Die leichte Muse hat es schwer", stellt Gerald Schmickl in Anlehnung an Theodor Adorno fest. Leichte Komödien und Operetten, Popsongs und Unterhaltungsromane gelten nach wie vor als oberflächlich und trivial. Sie finden recht selten Eingang in den Olymp der "Hohen Kunst" ernster Musik, komplexer Opern oder vielschichtiger literarischer Werke. "Adorno hat dieses Verdikt ausgesprochen, aber andererseits ist bekannt, dass er selbst gerne am Klavier saß und Operettenmelodien geträllert hat", erzählt der Autor.

Wie nachhaltig und wirkungsvoll die schwerelose Unterhaltungskunst mitunter sein kann, bewiesen Stars wie Peter Alexander und Gunter Philipp, deren Musik und Filme damals wie heute ein Massenpublikum begeistern.

Als Inbegriff der Leichtigkeit, als Idole der Kunst der guten Laune zählen für Gerald Schmickl aber bis heute die Mitglieder des legendären "Rat Pack" rund um Frank Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis Jr.: "Ihre unglaubliche Leichtigkeit ist mit einer bewundernswerten Kunstfertigkeit verbunden, sodass sie bis heute nachwirkt. Wenn man diese Filme sieht, manifestiert sich diese Leichtigkeit sofort und ist etwas, was einen unmittelbar anspricht."

Erträgliche Leichtigkeit des Seins

Gerade die augenscheinliche Leichtigkeit in der Kunst und Literatur, meint Schmickl, ist häufig mit besonderer Anstrengung verbunden. Es gehe schließlich nicht um oberflächliche Leichtfertigkeit, sondern vielmehr um einen gewissen Tiefgang hinter dem vordergründig Leichten: "Eine völlig von der Schwere abgehobene Leichtigkeit ist leichtfertig und hat keine Qualität. Die Qualität spürt man erst daran, dass sie von Gegengewicht durchdrungen ist."

Soeben ist Gerald Schmickls Essayband mit dem Titel "Lob der Leichtigkeit" in der Wiener Edition Atelier erschienen. Er versammelt Gedanken und Zitate rund um die erträgliche Leichtigkeit des Seins. Eine Betrachtungsweise, die Schmickl auch auf die Lebensumstände seiner Generation zurückführt, die - nach dem Zweiten Weltkrieg und der entbehrlichen Nachkriegszeit - erstmals in eine friedliche Wohlstandsgesellschaft hineingeboren wurde.

"Wir sind die Generation, die man Post-68er nennen kann", meint er, "Wir sind sozialisiert über Popmusik, Werbung, Sport und dergleichen mehr. Aber auch da ist Leichtigkeit keine Leichtfertigkeit, sondern ein anderer, ein von der Seite her kommender Zugang."

Die Tugend des Beobachtens

Gerald Schmickls "Essays zum Zeitvertreib", so der Untertitel seines Buches, drehen sich nicht ausschließlich um die Leichtigkeit des Lebens. Er sinniert darin über die Wirkung der Popmusik, über literarische Kreativität oder heimische Sportreporter. Meditiert über das Schwimmen und Schreiben ebenso wie über Glück und Unglück. Erörtert seine Affinität zu Deutschland ebenso wie zur ganz und gar österreichischen Tugend des Beobachtens.

"Zuschauen und Beobachten ist meiner Meinung nach eine wirklich sehr österreichische Tätigkeit, die in allen Facetten auftritt: Von den Baustellenbetrachtern bis hin zu professionellem Essayismus und Feuilletonismus - auch eine Kunstform des Betrachtens, die sich in Österreich und speziell in Wien ganz besonders entwickelt hat."

Kein "Altmännergrant"

Schmickls Essays sind bunte Kollagen aus Zitaten literarischer und journalistischer Texte, vermischt mit eigenen Betrachtungen. Auch er habe eine Vorliebe für das Schauen und Beobachten. Und er findet zum Beispiel Vergnügen daran, wenn er sieht, wie jemand die oft zitierte Leichtigkeit des Seins in beeindruckender Weise mit völliger Selbstverständlichkeit lebt:

"Wenn 80- oder 90-jährige Menschen die Kunst beherrschen, frei sind vom sogenannten 'Altmännergrant', diesem Hass auf alles, was war oder ist, noch nicht war oder nicht mehr ist, werden sie zu unglaublich exemplarischen Figuren, von denen man das Gefühl hat, sie fliegen einem nahezu entgegen."

Service

Gerald Schmickl, "Lob der Leichtigkeit", Edition Atelier

Lesung und Buchpräsentation Gerald Schmickl: "Lob der Leichtigkeit", Dienstag, 1. März 2011, 19:00 Uhr, Tiempo Nuevo Genussbuchhandlung, Taborstraße 17a, 1020 Wien, Moderation: Günter Kaindlstorfer

Wiener Zeitung - Edition Atelier - Lob der Leichtigkeit