Zwei Beispiele

Schulneubauten in Österreich

Die neuen Forderungen im Bereich des Lernens - etwa der Abbau vom Frontalunterricht - oder die Ganztagsschule verlangen auch neue architektonische Lösungen. Zwei Projekte in Wien versuchen, dem gerecht zu werden: das Siegerprojekt für den künftigen Bildungscampus am Hauptbahnhof und die bereits bestehende Krankenpflegeschule in Favoriten.

Kulturjournal, 02.03.2011

Der Kontrast könnte nicht größer sein: Am Rande des Spitalsgeländes mit seinen Pavillons aus dem 19. Jahrhundert zwischen großzügigen Grünflächen befindet sich seit kurzem ein großer Glaskomplex. Seit Beginn dieses Schuljahres hat die Gesundheits- und Krankenpflegeschule der Stadt Wien ihren Sitz im Kaiser-Franz-Josef-Spital. Transparent, hell und offen wirkt dieses vom Büro lichtblau.wagner errichtete Schulgebäude - Merkmale, die sich auch im Inneren fortsetzen.

Weiß, grün, grau und transparent sind die dominierenden Farben im Inneren des Hauses. Klassenzimmer, Pausenräume, Gänge und die großzügige Eingangshalle wirken nicht voneinander getrennt wie bei traditionellen Schulbauten, sondern mittels Öffnungen und Glaswänden untereinander verbunden.

Den Lehrern gefällt's. Aber wie kommt das neue Schulhaus bei der zweiten wichtigen Nutzergruppe an? Dominique Stumper und ihr Kollege Markus Sluzina besuchen die erste Klasse der Pflegeausbildung. Sie befinden sich täglich bis zu acht Stunden im Schulgebäude. Ihr Urteil fällt ebenfalls nur teilweise positiv aus.

Schmal und lang

Die Ausgangslage war für die Architekten nicht einfach: Das Grundstück, auf dem die Schule steht, ist ein recht schmaler, langgezogener Streifen zwischen der Triester Straße, einer der am stärksten befahrenen Straßen Wiens, und der Parkanlage des Spitals. Auf der ruhigen Seite liegen die Klassenzimmer, straßenseitig sind die Sozial- und Freizeiträume angeordnet.

Planung für das Hauptbahnhofgelände

Einem anderen großen Schulbau-Projekt steht mehr Platz zur Verfügung. Auf dem künftigen Hauptbahnhofgelände, das auch zum Wohn- und Geschäftsviertel werden soll, wird auf 12.500 Quadratmetern ein Bildungscampus mit Kindergarten, Volks- und Hauptschule entstehen. Den dafür ausgeschriebenen Architekturwettbewerb hat das Büro Popelka Poduschka für sich entschieden. Das Konzept: Die klassische Struktur von getrennten Klassenräumen und Gängen soll aufgelöst werden. Kommunikationsströme zwischen Schülerinnen, Schülern und Lehrern, die bisher nicht denkbar waren, sollen hier möglich werden.

Auf dem Plan sieht der Campus nicht wie eine Schule, sondern eher wie ein Dorf aus. Kindergarten, Volks- und Hauptschule sind untereinander verbunden; gemeinsame Bereiche, in denen alle zusammenkommen, soll es genauso geben wie Rückzugsräume. Das Immergleiche der klassischen Schulbauten findet hier seine Umkehrung.

Marktplätze für den Dialog

Hinter diesem architektonischen Konzept steckt auch ein neues Ideal des Unterrichtens: Der klassische Frontalunterricht, in dem alle Schüler während des Unterrichts sitzen und zuhören und gleichzeitig Pause machen, weicht neuen Unterrichtsformen, die individueller ausgerichtet sind.

Sogenannte Marktplätze zwischen den Unterrichtsräumen sind das Herzstück des Entwurfs von Popelka und Poduschka, die übrigens auch die stadtbekannten Sitzmöbel namens Enzi im Wiener MuseumsQuartier entworfen haben. Die Markplätze lösen die üblichen Schulgänge ab, die als reine Verkehrszonen und bei Feueralarm als Fluchtwege dienen. Brennbare Gegenstände dürfen in diesen Bereichen üblicherweise daher nicht gelagert werden, so Georg Poduschka.

Eine weitere Besonderheit des Entwurfs: Die Schule verzahnt sich mit dem Außenbereich. Die Kinder werden im Freien genauso arbeiten und spielen wie im Klassenraum, erklärt Anna Popelka.

In vieler Hinsicht wirkt dieser Entwurf wie die Antithese zum klassischen Schulbau. Wie sich das Konzept bewährt, wird sich ab Herbst 2014 herausstellen. Dann soll der erste Wiener Bildungscampus für Null- bis 14-Jährige beim Hauptbahnhof eröffnet werden.

Textfassung: Ruth Halle