Intendant setzt neue Impulse
Kurt-Weill-Fest in Dessau
In Dessau, der Geburtsstadt Kurt Weills, findet alljährlich (heuer zum 19. Mal) das Kurt-Weill-Fest statt, das weit über die Region hinaus an Bedeutung gewonnen hat. Auch heuer bietet es bis Sonntag, 13. März 2011 etliche seiner selten aufgeführten Werke und beleuchtet das künstlerische Umfeld seiner Zeit.
8. April 2017, 21:58
Das Programm des Weill-Festes wurde heuer erstmals von Michael Kaufmann zusammengestellt, der seit vergangenem Jahr neuer Intendant des Festes ist und als solcher auch neue Impulse setzen will.
Kulturjournal, 07.03.2011
Bezugnahme auf historische Festbeleuchtung
Am 2. März 1900 wurde Kurt Weill in Dessau geboren. Heute wandelt man auf den Spuren des vertriebenen Sohnes dieser Stadt. "Berlin im Licht" lautet der Titel des Festes. Er bezieht sich auf ein Ereignis des Jahres 1928, als die Gas- und Elektrizitätswerke der Stadt Berlin in Verbindung mit den Berliner Festwochen eine große Festbeleuchtung organisierten - was damals Berlin nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wieder in die Reihe der bedeutenden Weltmetropolen stellen sollte.
Wir sprechen heute von den "Goldenen 20er Jahren". Dass sie unaufhaltsam auf den Nationalsozialismus zusteuerten, ahnte noch niemand - oder wollte es nicht ahnen. Berlin erstrahlte jedenfalls in altem neuen Glanz und Kurt Weill hatte einen Kompositionsauftrag anlässlich der großen Lichterschau erhalten: Er schrieb den Song für ein nichtmilitärisches Platzkonzert.
Zahlreiche Spielorte
Heute, 83 Jahre nach der Uraufführung, erstrahl Dessau unter dem Titel "Berlin im Licht", so das Motto des diesjährigen Festes, das erstmals vom neuen Intendanten Michael Kaufmann konzipiert wurde. Er ist mehr denn je bestrebt, Synergie zu nutzen - vor allem zwischen der Kurt-Weill-Gesellschaft und der in Berlin ansässigen Foundation, aber auch mit verschiedenen Veranstaltern und den Betreibern der zahlreichen Spielorte, die das Fest alljährlich frequentiert.
"Es ist einerseits wunderbar, anderseits schwierig, weil in der Region hier wenige Unternehmen sind und viele Menschen abwandern, wenn sie Arbeit suchen", so Kaufmann. "Das ist ein schwieriger Teil aktueller deutscher Situation, aber nicht so, dass man hoffnungslos sein müsste. Das spürt man auch deutlich. Auf der anderen Seite ist es ganz wunderbar, wenn man mit vielen tollen Partnerschaften arbeiten kann. Unser wichtigster Partner ist das Anhaltische Theater, wo regelmäßig eigene Produktionen des Theaters Teil des Kurt-Weil-Festes werden."
Weills größter Broadway-Erfolg
Dieses Jahr werden dort zum Beispiel Leoncavallos "I Pagliacci" und Weills Pendant dazu, "Der Protagonist" aufgeführt. Zudem ist "One Touch of Venus", Weills erste Oper und sein größter Broadway-Erfolg, zu sehen.
Weitere Spielstätten sind die historische Bauhausbühne, eine zur Konzertkirche umgebaute Kirche, die Gründerzeitvilla Krötenhof, der Beatclub und das Zeughaus. Es sind Spielstätten ganz unterschiedlicher Art und Größe, die von 40 bis über 1.000 Personen fassen. Zu erleben gibt es 50 Veranstaltungen. An die 11.000 Besucher werden erwartet.
Auf Kooperationen angewiesen
"Das Kurt-Weill-Fest versucht einerseits, sich durch ein eigenständiges Profil zu positionieren und strahlt damit auch schön über die Region hinaus. Aber wir sind auf Grund eines knappen Budgets auch sehr darauf angewiesen, mit anderen zusammenzuarbeiten, was glücklicherweise sehr gut funktioniert", erläutert der Intendant.
Die Subventionen von Stadt und Land finanzieren knapp 40 Prozent der Gesamtetats. Der Rest muss durch Spender, Sponsoren und natürlich den Kartenverkauf generiert werden. Die Publikumsresonanz ist groß - die international renommierten Gäste tragen das Ihre dazu bei.
Zwei Mal verfolgt
"Da sind wir sehr glücklich", bekennt Kaufmann. "Man stellt schon fest, dass bei vielen Künstlern ein Erwachen zum Thema Kurt Weill einsetzt. Der hat es ja, muss man gestehen, nicht leicht gehabt im deutschsprachigen Bereich", sagt Kaufmann.
Nachdem Weill von den Nazis vertrieben worden sei und nach seinem frühen Tod hätten ihn viele für die Entwicklung der Neuen Musik im Nachkriegsdeutschland nicht mehr für relevant gehalten, "weil er nach ihrer Ansicht sich in Amerika angepasst hat und die Broadway-Musicals geschrieben hat". Weill sei, "wenn man es etwas drastisch formuliert, zwei Mal verfolgt worden", so Kaufmann. "Da sind wir ganz froh, dass wir daran mitwirken können, dass sich das sukzessive verändert, aber man stellt das eben auch bei den Künstlern fest."
Prominente Künstler
Sie machen also mit anderen Worten Entwicklungsarbeit, ohne genauer auf die Gage zu schauen. So zählten und zählen zu den Gästen: Das Ensemble Wien-Berlin, Angelika Kirchschlager, HK Gruber und die Staatsoperette Dresden, die mit Edmund Nicks und Erich Kästners Radio-Suite "Leben in dieser Zeit" ihr groß angelegtes "Radiomusikprojekt" präsentierte, denn zu Gehör gebracht wird nicht nur Kurt Weills Musik, sondern auch die seiner Zeitgenossen.
Drei Jahre lang will Michael Kaufmann nun die großen Stationen Weills, Berlin, Paris und New York, beleuchten - und damit auch sein künstlerisches Umfeld. Ergänzend zum musikalischen Programm gibt es eine ganze Reihe an Führungen und Ausstellungen.
Zwischen E und U
"Wir haben ja das Problem, dass viele der Entwicklungen in der Zeit noch unentdeckt und zugeschüttet sind - eben durch die schreckliche Nazizeit und durch den Zweiten Weltkrieg. Musik und Kunst sind ein idealer Türöffner, jedem Menschen ein Angebot zu machen, sich dieser Zeit zu nähern, ohne deklamatorisch zu sein oder mit dem moralischen Zeigefinger zu kommen, so der Intendant. "Kurt Weill ist ein fast idealer Reisebegleiter, weil er eben nicht speziell einer Stilrichtung oder einem Genre zuordenbar ist, sondern weil er sich auf der Linie zwischen der ernsten und der populären Musik traumtänzerisch bewegt und links und rechts geguckt hat."
Nächstes Jahr geht es im Rahmen des 20. Kurt-Weill-Festes um Paris als Zufluchtsort, als Sprungbrett nach Amerika: "Wir wollen zeigen, wie das ist, wenn Menschen ihre Heimat verlassen müssen und eine neue Heimat für sich suchen sollen. Da ist sehr aktuell - Menschen werden aus welchen Gründen auch immer woanders hingestellt in ihrem Leben. Wie geht man damit um? Da ist die Musik ein gutes Werkzeug, um sich damit zu beschäftigen."
Bis in die Gegenwart politisch- das ist Kurt Weill. Durch seine Musik, seine Texte und sein Leben.
Textfassung: Rainer Elstner