Animationsfilm nach Tati-Drehbuch

Der Illusionist

Der Animationsfilm fristet hierzulande immer noch ein stiefmütterliches Dasein. Abseits der großen Projekte von Pixar oder Dreamworks verirrt sich kaum ein animiertes Werk in die österreichischen Kinos. Insofern ist der heimische Kinostart des britisch-französischen Films "Der Illusionist" ein kleines Wunder.

Der Franzose Sylvain Chomet, der vor sieben Jahren mit seiner altmodischen Animation "Das große Rennen von Belleville" einen Welterfolg gefeiert hat, adaptiert damit ein Drehbuch des gallischen Komödientitanen Jacques Tati. Ein Bühnenzauberer freundet sich darin mit einem Mädchen an, das felsenfest an die Wirklichkeit seiner Illusionen glaubt.

Nostalgische Welt

Der Vorhang öffnet sich. Dahinter liegt die Bühne eines alten französischen Theaters. Die Gänge sind eng, die Zigaretten rauchen vor sich hin, ein warmes Licht fällt auf die Tische, ein harter Lichtkegel erhellt die Bühne. Die Tonspur jazzt vor sich hin, irgendwann steht dann ein Elvis-Double auf der Bühne.

Es ist eine liebevoll-nostalgische Welt, in die einen Sylvain Chomet entführt. Eine Welt mit schrägen Winkeln und noch schrägeren Figuren, eine Welt, wie sie sich der legendäre französische Komiker und Regisseur Jacques Tati ausgedacht hat. "Der Illusionist" basiert auf einem seiner unverfilmten Drehbücher.

Schon in seinem zweifach Oscar-nominierten Regiedebüt "Das große Rennen von Belleville" verbeugt sich Sylvain Chomet vor Tati und seinen Filmen, arbeitet sogar einen Ausschnitt aus dessen legendärer Komödie "Tatis Schützenfest" in seinen Animationsfilm ein.

Der Bühnenzauberer und das Mädchen

In den meisten seiner Filme spielt Jacques Tati den Monsieur Hulot: einen grundguten, aber sehr tollpatschigen Mann, immer mit Pfeife im Mund und beigefarbenem Mantel am Körper, der die visuellen Gags des Regisseurs auslöst – oder eine gewichtige Rolle darin spielt. In Chomets Film wird diese Kreation zu einer fiktiven Version von Tati selbst, zum Titel gebenden Illusionisten, einem Pariser Bühnenzauberer, der sein Glück auf der britischen Insel sucht.

In einem schottischen Inseldorf trifft er auf das Mädchen Alice. Sie glaubt bedingungslos an die Illusionen des gutmütigen Mannes und folgt ihm schließlich nach Edinburgh. Der Illusionist überschüttet seine junge Begleiterin mit Geschenken, dafür nimmt er erniedrigende Jobs an, bis sein Selbstbewusstsein in den Grundfesten erschüttert ist.

Je weiter sich Chomets Film fortbewegt, desto dringlicher schiebt sich die Wirklichkeit in die Illusionsmaschine Kino. Am Ende hinterlässt der gebeutelte Zauberer dem Mädchen eine handgeschriebene Nachricht. "Zauberer existieren nicht" steht darauf zu lesen. Worte spielen in "Der Illusionist" ansonsten eine untergeordnete Rolle, nicht zuletzt, da Chomet seine Figuren nur in unverständlichen Kunst-Sprachen kommunizieren lässt.

Lebenszeichen des europäischen Animationsfilms

Die Freiheiten, die sich Sylvain Chomet in der Inszenierung von "Der Illusionist" erlaubt, sind keine Selbstverständlichkeit. Auch deshalb gründet der Franzose Mitte der 2000er Jahre das Animationsstudio Django Films, das sich mittlerweile aufgrund von geplatzten Projektförderungen und diversen Produktionsschwierigkeiten allerdings wieder in der Auflösung befindet.

Nichtsdestotrotz gibt der europäische Animationsfilm dieser Tage eindeutige Lebenszeichen von sich; mit ästhetisch und inhaltlich radikalen Produktionen versucht man, der übermächtigen Konkurrenz aus Amerika und Japan Einhalt zu gebieten.

2009 stellt der serbische Comic-Zeichner Aleksa Gajic seinen ersten abendfüllenden Animationsfilm vor: "Technotise: Edit & I" ist eine düstere Science-Fiction-Fantasie, in der ein in die Hauptfigur eingepflanzter Computerchip ein bedrohliches Eigenleben entwickelt. Gajic mixt für seine Aufsehen erregende Produktion klassische 2D- mit computerisierter 3D-Animation. Das Ergebnis erinnert frappant an japanische Anime.

In einer ganz anderen Tradition sehen sich die Polen Rafal Skarzycki and Tomasz Leśniak: Mit ihrem subversiven Comic-Strip rund um den anarchischen, vulgären Igel Jez Jerzy feiern sie große Erfolge, vor wenigen Tagen feierte ihr erster Kinotrickfilm Weltpremiere. Darin erschaffen zwei Neo-Nazis mit Hilfe eines verrückten Wissenschaftlers einen Klon von Jez Jerzy, der sich wie immer vor allem mit Sex, Drogen und politisch unkorrektem Humor von den Gefahren ablenkt.

Bitte weitermachen!

Die Vulgarität von Jez Jerzy, der philosophische Futurismus von "Technotise: Edit & I" und die frankophile Nostalgie von "Der Illusionist": All das sind Beispiele für herausragende europäische Trickfilme, die sich mit verschiedenen Strategien gegen das marktdominierende Animationseinerlei in Stellung bringen. Der Erfolg ist ihnen zu wünschen - vor allem, damit die Illusionen des Kinos wieder vielfältiger, wahnwitziger und radikaler werden.

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